Saarländisches Ärztesyndikat

Das Ende des saarländischen Verbands ist nah

Eine Ära geht zu Ende: Der im Jahr 1948 gegründete ärztliche Dachverband steht vor der Auflösung. Grund ist nicht nur der schleichende Verlust an originären Aufgaben. Das Syndikat scheint aus der Zeit gefallen zu sein.

Von Michael Kuderna Veröffentlicht:
Das Saarländische Ärztesyndikat: Wie wird man sich künftig an diesen Verband erinnern?

Das Saarländische Ärztesyndikat: Wie wird man sich künftig an diesen Verband erinnern?

© CHROMORANGE / imago

SAARBRÜCKEN. Das Saarländische Ärztesyndikat – Ärzteverband des Saarlandes steht vor dem Aus. Die traditionsreiche Organisation wird 70 Jahre nach ihrer Gründung voraussichtlich in den nächsten Monaten aufgelöst – es sei denn, im letzten Moment kämen unerwartet noch inhaltlich und personell neue Perspektiven auf den Tisch.

Hintergrund sind nicht etwa vereinsinterne Streitigkeiten, sondern ein schleichender Verlust an originären Aufgaben, an Mitgliedern und an Engagement vor allem jüngerer Kolleginnen und Kollegen. "Der Verband ist aus der Zeit gefallen", bringt der Vorsitzende Dr. Thomas Stolz im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" das Problem auf den Punkt.

Da kein kompletter E-Mail-Verteiler existiert, will Stolz die jetzige Situation und die Entwicklung des Verbandes in der März-Ausgabe des "Saarländischen Ärzteblatts" detailliert schildern und dabei auch zu einer Delegierten- und Mitgliederversammlung einladen. Die Monatszeitschrift dient der Ärztekammer, der KV, der KZV und dem Syndikat als "offizielles Mitteilungsblatt".

Nach Angaben von Stolz sank die Zahl der Mitglieder von knapp 2000 im Jahr 1995 auf heute etwa 930. War vor 25 Jahren noch jeder zweite Arzt an der Saar beim Syndikat organisiert, so sind es jetzt nur noch rund 15 Prozent.

 Hinzu kommt: die Mitgliedschaft ist überaltert, es gibt kaum Nachwuchs, die meisten Kreisvereine sind weitgehend inaktiv. Ein Grund dafür: Einige der satzungsmäßigen Aufgaben werden inzwischen verstärkt von anderen Organisationen bearbeitet oder haben sich überlebt.

Ein "Ende mit Würde" als Ziel

In dieser Situation streben Stolz und seine Vorstandskollegen lieber ein "Ende mit Würde" als ein absehbares Siechtum an, zumal die finanziellen Polster in einigen Jahren aufgebraucht sein dürften. Wie Teilnehmer einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im vergangenen November berichten, fand sich in der Diskussion keine auf Dauer tragfähige Alternative. Deshalb soll nun im Mai endgültig entschieden werden.

Das Syndikat wurde 1948 unter tatkräftiger Unterstützung der Ärztekammer als ein Kampfverband nicht zuletzt für wirtschaftliche Interessen aller Humanmediziner gegründet. Dabei spielte auch die saarländische Sonderentwicklung in der Nachkriegszeit eine Rolle: Das Saarland war damals zwar autonom, tatsächlich aber politisch unter französischer Kontrolle und wirtschaftlich dem Nachbarland angeschlossen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Müde, aber aufrecht

Das Syndikat wollte denn auch das französische Kostenerstattungssystem einführen, auf jeden Fall aber die Vergütung von Einzelleistungen sichern, die bis zur Rückgliederung nach Deutschland lediglich als Abteilung innerhalb der Kammer existierende KV abschaffen und selbst die Honorarverhandlungen führen. Doch schon wenige Jahre später wurden die hochfliegenden Pläne auf Druck der Regierung abgeschwächt.

Die gemeinsame Interessenvertretung außerhalb der Körperschaften blieb jedoch ein zentrales Anliegen. Sie verlor aber ab den späten 70er Jahren allmählich in dem Maß an Bedeutung, in dem einzelne Berufs- und Fachverbände gegründet, getrennte Honorartöpfe eingerichtet, Selektivverträge geschlossen und die Rahmenbedingungen zunehmend von den Parteien auf Bundesebene gesetzt wurden.

"Leider macht sich in der letzten Zeit deutlich bemerkbar, daß Gruppeninteressen dem ärztlichen Allgemeininteresse vorangestellt werden", beklagten schon 1986 die Autoren des jährlichen Rechenschaftsberichtes.

Proteste ohne Wirkung

Letzte Paukenschläge waren an der Saar eine Großdemonstration im Jahr 2003 und ein Protesttag mit Praxisschließungen 2006, als das Syndikat gemeinsam mit anderen Verbänden gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung Front machte. "Auch das hat nichts gebracht", hält Stolz einer nachträglichen Verklärung entgegen.

Und auch der Chef der saarländischen KV, Dr. Gunter Hauptmann, warnt vor Illusionen: "Heute will keiner mehr kämpfen", so seine Beobachtung.

Einen weiteren Schwerpunkt legte das Syndikat von Beginn an auf die Fortbildung. Doch auch hier schlug allmählich die Ausdifferenzierung nach Fachgebieten durch, wobei nach Beobachtung des Vorstandsmitglieds Dr. Gudula Zimper auch Online-Fortbildungen und in Folge des CME-Punktsystems die Konzentration auf Blockseminare eine Rolle gespielt haben könnten.

Kollegialer Austausch entfällt

Zudem wies die damalige Vereinsvorsitzende Dr. Sigrid Bitsch im Jahresbericht für 2016 darauf hin, dass nach einer internen Erhebung 62 Prozent der Veranstaltungsteilnehmer nicht Mitglied im Syndikat seien. Nur sehr wenige kamen der Bitte nach, sich freiwillig mit einem Obolus an den Kosten zu beteiligen.

Da Fort- und Weiterbildung eine zentrale Aufgabe der Kammer ist, dürfte hier auch ohne Syndikat kein Vakuum entstehen. Allerdings wird das Fehlen fachübergreifender, regional organisierter Fortbildungsabende mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anliegen schwächen, das den Aktiven des Verbands mit am wichtigsten war, nämlich der kollegiale Austausch vor Ort. "Das tut weh", räumt Stolz denn auch ein.

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