Saarland

Missbrauchs-Skandal an Uniklinik beschäftigt Landtag

Ein Assistenzarzt an der Homburger Uniklinik soll jahrelang Kinder missbraucht haben. Die meisten Eltern seien aber nicht von den zuständigen Stellen informiert worden. Nun kommt der Sozialausschuss des saarländischen Landtags zur Sondersitzung zusammen.

Andreas KindelVon Andreas Kindel Veröffentlicht:
Am 16. Juli will der Sozialausschuss im saarländischen Landtag den Fall des Homburger Assistenzarztes aufarbeiten.

Am 16. Juli will der Sozialausschuss im saarländischen Landtag den Fall des Homburger Assistenzarztes aufarbeiten.

© BeckerBredel / picture allian

SAARBRÜCKEN/HOMBURG. Die Kindesmissbrauchs-Vorwürfe an der Homburger Uniklinik werden jetzt auch Thema im Saarländischen Landtag. Die Fraktionen von CDU und SPD haben am vergangenen Freitag angekündigt, für den 16. Juli eine Sondersitzung des Landtags-Sozialausschusses einzuberufen.

Im Raum steht der Vorwurf, dass Regierung, Justiz und Uniklinik den Skandal jahrelang vertuscht haben. Die Opposition droht bereits mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Das ARD-Magazin „Monitor“ hatte den Skandal Ende Juni ins Rollen gebracht. Ein inzwischen verstorbener Assistenzarzt soll an der Uniklinik Homburg im Saarland jahrelang Kinder sexuell missbraucht haben.

Der Vorwurf: Der Arzt habe in der „Ausscheidungsambulanz“ der Uniklinik bei Kindern medizinisch unnötige Untersuchungen des Genital- und Analbereichs vorgenommen. Die Klinik hatte Ende 2014 Strafanzeige gegen den Arzt erstattet und ihn entlassen, die Staatsanwaltschaft hatte ermittelt, aber nach dem Tod des Mediziners 2016 die Ermittlungen eingestellt.

Wogen schlagen hoch

Was die Wogen im Saarland hochschlagen lässt: Die meisten Eltern der betroffenen Kinder erfuhren von dem Skandal nichts. „Monitor“ präsentierte in seinem Beitrag das Schreiben eines Uniklinik-Verantwortlichen, in dem ausdrücklich darum gebeten wurde, die Eltern nicht zu informieren. Und ein Vertreter der Saarbrücker Staatsanwaltschaft vertrat in dem ARD-Magazin die Auffassung, dass dies auch nicht erforderlich gewesen sei.

Jetzt herrscht trotz Sommerpause hektisches Treiben im sonst beschaulichen Saarland. Der Aufsichtsrat der Homburger Uniklinik kam schon am vergangenen Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammen. Der „Saarländische Rundfunk“ meldete anschließend, der Aufsichtsrat habe empfohlen, den Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik von seinen Aufgaben zu entbinden. Außerdem behalte man sich Schritte gegen die frühere Klinik-Leitung vor.

Die amtierende Leitung der Universitätsklinik ging inzwischen in die Offensive. In den Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft früher ermittelt habe, seien insgesamt 34 Betroffene oder deren Eltern schriftlich informiert worden. Auch die rund 300 Patienten, die von dem beschuldigten Arzt zwischen 2010 und 2014 in der „Ausscheidungsambulanz“ behandelt wurden, seien angeschrieben worden. Man vermittle Rat- und Hilfsangebote und stehe zu persönlichen Gesprächen und Akteneinsicht bereit.

Landtag will Aufklärung

Im Landtag will die regierende Große Koalition aus CDU und SPD jetzt dafür sorgen, dass alle Fakten auf den Tisch kommen. „Dieser Fall muss lückenlos aufgeklärt werden“, forderten beide Fraktionen. Doch es gibt Zweifel, ob der Skandal in der Regierung tatsächlich so lange nicht bekannt war.

Denn der Aufsichtsratsvorsitzende der Homburger Uniklinik ist der Chef der Staatskanzlei, Jürgen Lennartz. Und die heutige CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer war von 2012 bis 2018 als Ministerpräsidentin auch Wissenschaftsministerin und damit zuständig für die Uniklinik. So forderte Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine bereits, beide müssten erklären, ob und wann sie über den Fall informiert wurden.

Der Fall wirft auch ein schlechtes Licht auf die Saarbrücker Staatsanwaltschaft. „Das Verhalten der Staatsanwaltschaft ist eine Verletzung des Gesetzes und das ist eigentlich der schlimmste Vorwurf, den man einer Behörde machen kann“, sagte der Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof, Hartmut Wächtler, dem ARD-Magazin „Monitor“.

Sie hätte die Betroffenen informieren müssen – auch über Hilfs- und Schadensersatzmöglichkeiten und ihnen über einen Anwalt Akteneinsicht gewähren müssen. Die AfD-Fraktion im saarländischen Landtag drohte bereits mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, falls die Landesregierung sich nicht bereit erkläre, Schadensersatz- und Schmerzensgeld-Forderungen der betroffenen Kinder zu regulieren.

Externer Gutachter soll helfen

Mit dem Fall befasst war auch die saarländische Ärztekammer. Wie nach der gesetzlichen Meldepflicht für solche Fälle vorgesehen, wurde die Kammer nach eigenen Angaben Ende 2014 von der Uniklinik über den Fall informiert und hatte zu Strafanzeige und arbeitsrechtlichen Schritten gegen den beschuldigten Mediziner geraten.

Weil der Mann aber zu einer Klinik nach Kaiserslautern wechselte, habe man sich mit der Sache dann nicht weiter befasst.

Die Homburger Uniklinik hat angekündigt, dass nun ein externer Gutachter bei der Aufarbeitung des Skandals helfen soll. Vor allem soll der Kinderschutz verbessert werden. Dazu hat die Uniklinik eine „Task Force“ eingesetzt. Ihr gehören Mediziner unterschiedlicher Fachrichtungen an, in denen in Homburg Kinder versorgt werden.

Diese „Task Force“ soll schon Anfang August ein neues Kinderschutzkonzept für die Uniklinik vorlegen.

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