ALSV und JMTV

Alongshan-Viren auch in Zecken in Deutschland nachgewiesen

Viren mögen Zecken. Und mehr und mehr finden sich in Ixodes et al. nicht nur FSME-Viren, sondern auch ALS-Viren – auch in Deutschland. Ein Blick in die erste Publikation zu humanen Infektionen.

Veröffentlicht:
Transmission electron microscopy. Electron micrographs of purified viral particles of the Alongshan virus strain Miass527 propagated in IRE/CTVM19 cells

Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme von Alongshan-Virus-Virionen.

© Ivan S. Kholodilov et al. / Viruses 2020, 12(4), 362

Hannover. Nachdem das neuartige Alongshan-Virus (ALSV) erst vergangenes Jahr in der Schweiz nachgewiesen wurde, häufen sich offenbar die Funde auch in anderen europäischen Ländern. Wie das Centrum für Reisemedizin (CRM) jetzt mitteilt, wurde es zuletzt auch in Zecken in Finnland, Frankreich und Russland gefunden. Auch in Deutschland gibt es erste Nachweise. „Es ist davon auszugehen, dass das Virus in Europa bereits länger zirkuliert und vermutlich auch schon zu Erkrankungen geführt hat“, sagte der wissenschaftliche Leiter des CRM, Professor Tomas Jelinek, laut Mitteilung.

Forschende unter anderem der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) haben Anfang des Jahres eines „weite Verbreitung von ALSV in Zecken in Niedersachsen“ zeigen können. Sie konnten die Viren in Ixodes spp. nachweisen und die Replikation von ALSV in Ixodes ricinus und Dermacentor reticulatus nachweisen.

Bei einem Rothirsch konnte das Team ALSV-RNA im Serum nachweisen, bei Wild- und Haustieren ALSV-spezifische Antikörper. Die Forscher gehen ob ihrer serologischen Ergebnisse sogar von einer „häufigen Exposition“ der Tiere mit den Viren aus (Microorganisms 2023; 11(3): 543).

Erste humane Infektion 2017 beschrieben

Erstmals beschrieben wurde das Virus von Forschern anhand von Zeckenfunden aus den Jahren 2010–2011 in der Region Jingmen in der chinesischen Provinz Hubei. Das Virus mit einem segmentierten RNA-Genom aus der Familie der Flaviviridae wurde zunächst dem Fundort nach „Jingmen tick virus“ (JMTV) getauft; die Gattung Jingmenvirus (Proc Natl Acad Sci 2014; 111(18): 6744–9).

Die erste bekannte Infektion bei einem Menschen verzeichneten Forscher aus China im April 2017. Damals infizierte sich eine 42-jährige Bäuerin in der Stadt Alongshan in der Inneren Mongolei. Sie wurde im Krankenhaus nach positiver Zeckenstich-Anamnese und einer für FSME typischen Klinik (u.a. Fieber, Kopfschmerzen) zunächst entsprechend betreut.

FSME-Virus-RNA und -Antikörper waren allerdings negativ. In Verozellen konnte damals das Virus vermehrt und per Genomanalyse identifiziert werden. Daraufhin erhielt der dort isolierte JMTV-Stamm den Namen Alongshan-Virus (N Engl J Med 2019; 380: 2116–25).

Alle Patienten vollständig genesen

Bis September 2017 konnte in dem Krankenhaus bei 85 weiteren Patienten nach vorherigem Zeckenbiss mittels RT-PCR die Virus-RNA nachgewiesen werden. Die klinische Symptomatik bezeichneten die Autoren als unspezifisch.

Die meisten beklagten Kopfschmerzen, Fieber und Müdigkeit. Myalgien oder Gelenkschmerzen traten bei 27 Prozent auf, eine Lymphadenopathie bei nur 9 Prozent. Laborchemisch fielen bei den meisten (68 Prozent) Laktat-Dehydrogenase-Level (LDH) jenseits der Normwerte auf, auch war das CRP bei vielen erhöht (50 Prozent).

Nach kalkulierten Therapien mit Ribavirin (0,5 g/d) sowie (offenbar prophylaktisch) Penicillin G klangen die Symptome nach 6–8 Behandlungstagen ab, alle Patienten erholten sich klinisch vollständig. Auch gab es weder Komplikationen noch Todesfälle. (nös)

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