Carpe diem am Prenzlauer Berg

Einmal eröffnet, bleiben Apotheken zumeist ihrem Standort treu. Nicht so die Arminius-Apotheke. Inhaberin Steffi Linke ergriff ihre Chance und zog in eine Apotheke, 100 Meter vom alten Standort entfernt. Dort versorgt sie nun intensiv chronische Schmerzpatienten mit Arzneimitteln.

Von Aline Klett Veröffentlicht:
Die Arminius-Apotheke befindet sich im gleichen Gebäude wie das große Berliner Schmerzzentrum.

Die Arminius-Apotheke befindet sich im gleichen Gebäude wie das große Berliner Schmerzzentrum.

© Aline Klett

Das Lebensmotto von Steffi Linke lautet "Carpe diem". Und das merkt jeder sofort. Freundlich und gelassen begrüßt sie jeden, der ihre Apotheke, die Arminius-Apotheke im Prenzlauer Berg, betritt.

Diese Gelassenheit braucht sie auch, denn hierher kommen Patienten, die seit vielen Jahren an chronischen Schmerzen leiden, und deshalb regelmäßig starke Schmerzmittel verordnet bekommen. "Oft haben unsere Kunden akute Schmerzen und brauchen ihr Medikament sofort.

Auf die Lieferung vom Großhändler warten, funktioniert dann nicht", sagt die 50-Jährige. Viele wohnen auch nicht in der Nachbarschaft, sondern kommen aus anderen Berliner Bezirken und von außerhalb, um im Schmerzzentrum Berlin behandelt zu werden, das im selben Haus wie die Apotheke untergebracht ist.

"Kommt der Kunde zu uns, muss das verschriebene Medikament parat sein. Ist es das nicht, ist er weg und mit ihm das Rezept", sagt Steffi Linke. Das will sie nicht riskieren. Denn schnell liegen die Rezeptsummen im vierstelligen Bereich, wenn große Mengen an Analgetika, vor allem an Betäubungsmitteln verordnet werden.

Sie stimmt daher das Sortiment regelmäßig mit den Ärzten ab. Oft kommt dazu auch der Chef Dr. Jan-Peter Jansen persönlich in die Apotheke. Er ist der Geschäftsführer und Mitbegründer des Schmerzzentrums Berlin, dessen Schwerpunkt die Therapie bei chronischen Schmerzzuständen ist wie Migräne, Rückenschmerzen und etwa Schmerzen bei Krebserkrankungen.

20 Ärzte verschiedenster Fachrichtungen wie der Allgemeinmedizin, der Anästhesiologie und der Palliativmedizin, aber auch der Neurochirurgie und der Psychiatrie arbeiten hier.

Ärzte sollen Einblick ins Warenlager bekommen

Die räumliche Nähe zwischen Apotheke und Arztpraxis nützt allen Beteiligten. Gibt es etwa Unklarheiten bei der Verschreibung, läuft ein Apothekenmitarbeiter nur die Treppe hinauf und klärt das. "Telefonisch können wir das selten absprechen, weil das Telefon zur Praxis ständig belegt ist und auch wir nicht durchkommen", sagt Steffi Linke.

Auf lange Sicht soll es zwischen Praxis und Apotheke eine technische Vernetzung geben: Ärzte haben dann per Mausklick Einblick in das Warenlager der Apotheke und sehen sofort, welche Arzneimittel auf Lager sind, damit sie diese ihren Patienten verordnen können.

Bis zu 20 Betäubungsmittel-Rezepte am Tag gehen über den HV-Tisch. Rund 150 Präparate - mit ganz unterschiedlichen Wirkstoffen, Stärken und von verschiedenen Herstellern - lagern daher fest verschlossen in mannshohen Tresoren.

"Auf alles rund um die Betäubungsmittel habe ich die Hand drauf, schließlich bin ich dafür auch verantwortlich", sagt Linke. Und so kümmert sie sich um die Bestellung genauso wie um die Dokumentation, die Abrechnung und die Retoure an Großhandel oder Hersteller, wenn das Verfallsdatum abzulaufen droht.

Besonders genau schaut sie vor der Abrechnung der Rezepte hin: "Was die Rezepte angeht, muss man aufpassen wie ein Luchs." Wurde das Rezept vom Arzt nicht richtig ausgefüllt und gibt der Apotheker es an die Abrechnungsstelle weiter, kann es passieren, dass die Kasse es retaxiert und damit bereits bezahlte Abrechnungen wieder storniert.

Retaxierungen werden akribisch vermieden

Frisch in der Erinnerung der Apothekenleiterin ist daher noch die jüngste Retaxierungsaktion der Duisburger Betriebskrankenkasse Novitas, die viele Kollegen vor Kurzem traf. "Glücklicherweise hatte ich bisher kein Rezept dieser Kasse. Aber wenn einem so etwas passiert, ist das verdammt ärgerlich", sagt sie.

Gut gefüllt: einer der beiden Tresore mit insgesamt rund 150 BtM.

Gut gefüllt: einer der beiden Tresore mit insgesamt rund 150 BtM.

© Aline Klett

Zur Erinnerung: Im September ließ die Kasse 60000 Betäubungsmittel-Rezepte aus den Jahren 2010 und 2011 überprüfen, weil sie Nachlässigkeiten bei der Verordnung durch die Ärzte und die Kontrolle der Apotheker vermutete. Infolge dessen kam es zu etlichen Retaxationen.

Doch aus der Ruhe bringt so eine Aktion Steffi Linke längst nicht. In ihrer Zeit als Apothekerin hat sie viele Veränderungen miterlebt. In Berlin aufgewachsen, schloss sie nach der Schule ihre zweijährige Ausbildung zur Apothekenfacharbeiterin ab.

Nach zwei weiteren Jahren auf der Abendschule hatte sie ihr Abitur in der Tasche und begann Pharmazie an der Humboldt Universität im Osten Berlins zu studieren. Anschließend bekam sie von staatlicher Seite einen Arbeitsplatz in der Arminius- Apotheke zugewiesen.

Zwei Jahre später, 1988, bekam sie mit 28 Jahren die Leitung der Apotheke angeboten, weil die Apothekenleiterin schwer erkrankt war. Noch zwei Jahre vergingen. Und ehe Steffi Linke sich versah, war sie Im Zuge der Privatisierung staatlicher DDR-Apotheken zu einer Unternehmerin mit eigener Apotheke geworden.

"Anfangs hatte ich schon ein mulmiges Gefühl. Aber da morgens bis abends immer viel zu tun war, konnte ich nicht so viel darüber nachdenken", sagt sie heute.

Der Mauerfall veränderte letztendlich nicht nur ihr Leben. Auch die Umgebung und das Klientel der Apotheke veränderten sich. "Bis zur Wende war es hier recht ruhig. Vor allem ältere Menschen gehörten zur Stammkundschaft. Inzwischen sind viele weggezogen oder verstorben", erzählt Linke.

Jetzt kommen junge Familien und Touristen. Auf brachliegenden Grundstücken entstanden neue Häuser, die nun Hotels und Hostels beherbergen - und seit 2005 das Schmerzzentrum.

Aufmerksam wurde Steffi Linke auf das Haus 2001, als sie an einer Baulücke vorbeifuhr, nur 100 Meter von ihrer Apotheke entfernt. In großen Lettern stand auf einem Schild, dass hier ein Ärzte-Haus mit Apotheke entstehen soll.

Eine Apotheke laste vollkommen aus

Die Apothekerin ergriff die Chance und nahm Kontakt mit dem zukünftigen Geschäftsführer Dr. Jansen auf, der bis dahin seine Praxis ganz in der Nähe der Apotheke hatte. Ein Jahr später war es dann soweit, und sie zog mitsamt ihrer Apotheke und den vier Mitarbeitern ins neue Haus.

Und in den nächsten zehn Jahren? "Den Ehrgeiz, weitere Apotheken zu eröffnen habe ich nicht, mit der einen Apotheke bin ich voll ausgelastet." Und wenn die Gesundheitspolitik ihr keinen Strich durch die Rechnung macht, kann sie sich gut vorstellen, auch noch in den nächsten Jahren Schmerzpatienten mit Arzneimitteln zu versorgen - getreu ihrem Lebensmotto Carpe diem.

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