Prävention kommt in Deutschland nur in Trippelschritten voran. Immer noch fehlen politischer Wille und Investitionskultur für die Gesundheit von morgen.

Von Helmut Laschet

Das Urteil von Professor Stefan Willich, der an der Charité Gesundheitsökonomie lehrt, ist harsch: "Die Ärzteschaft versagt total, die Prävention zu ihrer Aufgabe zu machen.

Ernährungsberatung - prinzipiell auch beim Arzt möglich. Doch für Prävention fehlt oft die Priorität.

Ernährungsberatung - prinzipiell auch beim Arzt möglich. Doch für Prävention fehlt oft die Priorität.

© Foto: sth

Vielleicht ist das die größte Gemeinsamkeit von Ärzten und Politik. Denn der Gesetzgeber hat sich im Widerstreit der föderalen und institutionellen Interessen eines ohnehin schmalbrüstigen Präventionsgesetzes verheddert und ist bereits mehrfach gescheitert. Ein neuer Anlauf in der nächsten Legislaturperiode? Vielleicht.

Das ist die Hoffnung derer, die für Prävention von Berufs wegen in unterschiedlichen Aufgaben tätig sind: Neben Stefan Willich Professor Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, und Rolf Stuppardt vom IKK-Bundesverband, der die Federführung für Prävention bei den gesetzlichen Krankenkassen hat.

In gewisser Weise sind die Kassen Profis für Prävention. Manchmal profilieren sie sich damit und geraten in Verdacht, Prävention als Werbung einzusetzen. Wird es richtig ernsthaft, dann sind die Kassen auf Ärzte und Gesundheitsberufe angewiesen. Die aber werden von (vermeintlich) Gesunden wenig in Anspruch genommen. Gut läuft hingegen die betriebliche Prävention.

Stuppardt kennt die Grenzen der Kassen: Die wirklichen Risikogruppen - Arbeitslose, Arme, Migranten und deren Kinder - sind schwer zu erreichen.

Einig sind sich alle, dass der Staat - Bund, Länder und Gemeinden - schwere Versäumnisse begehen, wenn sie Prävention nicht als Investition in die Gesundheit der Zukunft begreifen. Elisabeth Pott weiß, wie man aufklären kann - die Aids-Kampagne zeigt, wie es ohne staatlich erhobenen Zeigefinger funktioniert. Das müsste man auf andere Probleme übertragen.

Willich hat eine ganz klare und ebenso anspruchsvolle Forderung: Zehn Prozent der GKV-Ausgaben für Prävention, das wären 16 Milliarden Euro. Aber nur für evaluierte Programme.

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"Vier Prozent - das ist lächerlich"

Wortwechsel zwischen Kassenmanager und Gesundheitsökonom über die notwendigen Investitionen in Prävention beim Hauptstadtkongress.

Rolf Stuppardt, IKK-Bundesverband: Alle Beteiligten - Privathaushalte, Krankenkassen, Unternehmen - geben laufend mehr aus für Prävention.

Nur der Staat nicht, da sind die Ausgaben seit zehn Jahren rückläufig. Bei den Krankenkassen liegt der Ausgaben- anteil für Prävention im weitesten Sinne bei 3,8 Prozent.

Stefan Willich, Gesundheitsökonom an der Charité: Es sind weniger als drei Prozent. Sich selbst auf die Schulter zu klopfen ist den Kassen überhaupt nicht gerechtfertigt.

Stuppardt: Vier Prozent!

Willich: Das ist auch lächerlich!

Stuppardt: Sag‘ ich auch.

Frage: Was muss denn getan werden?

Willich: Eine staatliche Vorgabe für die GKV: Zehn Prozent der Leistungsausgaben für evaluierte Prävention. Und Risikozuschläge für Versicherte.

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