Interview

"Unsere Bürger werden entmündigt"

Gesetzliche Krankenversicherung auf der einen, Privatmedizin auf der anderen Seite? Privatärzte-Chef Dr. Norbert A. Franz sieht beide Seiten – und plädiert im Interview dafür, dass Patienten die Wahl haben müssen.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Viel Zeit für Patienten nehmen sich Privatärzte.

Viel Zeit für Patienten nehmen sich Privatärzte.

© WavebreakMediaMicro / fotolia.com

Ärzte Zeitung: Herr Dr. Franz, Sie sind Vorsitzender des Privatärztlichen Bundesverbandes (PBV). Brauchen Ärzte, die sich aus der Versorgung von rund 90 Prozent der Bevölkerung zurückgezogen haben, eine eigene Vertretung? Und, wenn ja, welche Aufgaben sehen Sie dann für sich als Verband?

Dr. Norbert A. Franz

'Unsere Bürger werden entmündigt'

© Privat

Aktuelle Tätigkeit: Niedergelassen als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnungen in einer fachärztlichen Praxisgemeinschaft mit Chirurgie in Frankfurt am Main .

Berufspolitische Aktivitäten: Seit 16 Jahren Vorsitzender des Privatärztlichen Bundesverbandes. Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Hartmannbundes als Vertreter der korporativen Verbände seit 12 Jahren.

Dr. Norbert A. Franz: Wir würden gerne alle Patienten nach unserem Kodex behandeln. Das ist aber leider in der GKV nicht möglich. Budgetierung, Bürokratie und pauschalierte Vergütung führen zu täglich hohen Patientenzahlen unter Zeitdruck und zu spektakulären Terminvergaben – in einigen Fällen jetzt schon bis in das Jahr 2019 hinein, weil das Budget bis dahin voll ist, wie in der Presse vor Kurzem berichtet.

Das Ganze ist dann auch noch extrem teuer. Rechnet man alles zusammen, dann kostet eine GKV-Versicherung in 2017 etwa 800 Euro insgesamt pro Monat für einen Versicherten. Wir jedoch möchten frei und unabhängig arbeiten ohne Beeinflussung, zum Wohle des Patienten, so steht es in unserem Kodex, der auf unserer Homepage einsehbar ist, und so meinen wir das auch.

Was bedeutet dieser Kodex in der Praxis?

Franz: Wir möchten uns so viel Zeit nehmen, wie notwendig und die Therapie so durchführen, wie es sein sollte mit transparenter kontrollierbarer Einzelleistungsvergütung und Kostenerstattung, unbeeinflusst von Billigst-Rabattverträgen und ständig drohenden Regressen oder Honorarkürzungen bei Budgetüberschreitung. Dafür sind wir angetreten.

Wir kämpfen für das duale System und treten für eine Versicherungspflicht ohne Pflichtversicherung ein. Jeder freie Bürger in Deutschland sollte sich seine Versicherung aussuchen dürfen, für sein Auto, sein Haus und besonders für seine Gesundheit. Dafür lohnt es sich einzutreten und dafür treten wir vehement ein, sonst landen wir alle in einer einheitlichen staatlichen Zwangsversicherung. Die DDR lässt grüßen.

Vertreten Sie eigentlich ausschließlich die rein auf privater Basis arbeitenden Ärzte?

Franz: Jede approbierte Ärztin und jeder Arzt, die unseren Kodex unterstützen und vertreten, kann Mitglied werden, auch wenn er im niedergelassenen Bereich aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen ist, auch als Kassenarzt zu arbeiten. Denn durch einseitige gesetzliche Hürden, wie die Versicherungspflichtgrenze und das Versicherungsvertragsgesetz werden unsere Bürger entmündigt und in die gesetzliche Versicherung gezwungen.

3. Tag der Privatmedizin

Hier geht es zu weiteren Informationen zum 3. Tag der Privatmedizin am 29. Oktober in Frankfurt/Main.

Versorgen Privatärzte tatsächlich nur privat Krankenversicherte? Wen sonst und bei welchen Gelegenheiten?

Franz: Reine Privatärzte versorgen Privatpatienten und alle anderen Patienten, die ihre Rechnung selbst bezahlen, da die gesetzliche Versicherung keine Erstattung des Kassensatzes mehr zulässt, auch in Kulanzfällen nicht – es sei denn, man hat Kostenerstattung gewählt. Das ist aber bewusst mit Nachteilen verbunden worden.

Wie groß ist die Gruppe der ausschließlich privat arbeitenden Kolleginnen und Kollegen mittlerweile?

Franz: Die Zahl der rein privatärztlich tätigen Kolleginnen und Kollegen liegt bei ca. 13.000 .

Zeitweise konnte man in den vergangenen Jahren den Eindruck gewinnen, dass vor allem grundversorgende Fachärzte aufgrund der extrem niedrigen Fallwerte in der kassenärztlichen Versorgung und wegen zunehmender Bürokratie verstärkt in die Privatmedizin strebten. Nun scheint der Druck nachgelassen zu haben. Können Sie das bestätigen?

Franz: Ein vermehrter Zuwachs an Privatärzten aus dem fachärztlichen Bereich ist derzeit tatsächlich nicht mehr zu verzeichnen.

Was empfehlen Sie Ärzten, die mit dem Gedanken spielen, der kassenärztlichen Versorgung komplett den Rücken zu kehren? Ist die privatärztliche Tätigkeit eine sichere Bank?

Franz: Es ist keine sichere Bank, Privatarzt zu werden . Man muss sehr sorgfältig die Infrastruktur des Niederlassungsortes prüfen. Weiterhin ist es hilfreich, auf bestimmte Bereiche spezialisiert zu sein oder bekannt zu sein und schon über ein entsprechendes Patientenklientel zu verfügen. Dann gibt es noch die Unsicherheit über die weitere politische Entwicklung und die damit verbundenen möglichen Veränderungen im Gesundheitssystem.

Wie lässt sich vor allem in der Übergangsphase der Umsatz stabilisieren? Welche Vorbereitung ist zielführend?

Franz: Wichtig ist es, besonders am Anfang die Kosten im Griff zu haben und möglichst keine oder nur geringe Schulden zu haben, ohne dass die unbedingt notwendige optimale Praxisstruktur darunter leidet.

Mit dem vergrößerten Tag der Privatmedizin in Frankfurt geht der PBV ja auch publizistisch etwas in die Offensive. Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Kongress?

Franz: Diese Veranstaltung ist schon der dritte Tag der Privatmedizin. Der Privatärztliche Bundesverband ist federführend und will damit zeigen, wie vorteilhaft und vor allem innovativ die Privatmedizin für den Patienten ist und wie respektvoll der Umgang mit Patienten sein könnte, wenn man nicht den Vorgaben des Budgets und den Zwängen der Gesetzlichen Krankenversicherungen unterstellt ist.

Ich denke dabei an pauschalierte Vergütung, an Rabattverträge für das absolut billigste Arzneimittel, woher auch immer es kommt, sowie an Ausschreibungen für die medizinische Versorgung schwerkranker Patienten und natürlich an die Budgetierung.

Das sollte zum Wohle der Patienten besser zu regeln sein, deshalb fordern wir eine freie Wahl der Krankenversicherung für den mündigen Bürger. Die private Krankenversicherung könnte bei einem dann vorhersehbaren Anteil von 20 bis 30 Prozent ganz andere günstige und noch mehr individuelle Tarife anbieten. Außerdem muss die PKV, genau wie die GKV, ihre Tarife laufend anpassend können, dann kommt es nicht zu diesen Beitragssprüngen, die jetzt, von der Bafin gesteuert, entstehen.

Nicht zuletzt müssen die Standarttarife wieder offen sein. Die durchschnittliche jährliche Verteuerung im Bereich der PKV ist niedriger als in der GKV, darf aber derzeit nicht laufend angepasst werden.

Stichwort GOÄ: Seit mehr als 20 Jahren haben sich die Preise in der privatärztlichen Behandlung nicht verändert. Wie sehr hat Ihnen das vorläufige Scheitern der GOÄ-Reform wehgetan?

Franz: Das Scheitern der GOÄ-Novelle hat überhaupt nicht wehgetan. Der Entwurf war schlecht vorbereitet und nicht zu Ende diskutiert. Jetzt werden alle Verbände gehört und möglichst alle Einwände berücksichtigt.

Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dem nächsten Versuch der GOÄ-Reform?

Franz: Wir erwarten eine zeitgemäße Leistungsbeschreibung und eine angemessene und angepasste Leistungsvergütung. Wobei man natürlich immer die notwendige Zustimmung der Länder berücksichtigen muss.

Wie können die ärztlichen Erwartungen einer kräftigen Steigerung der Honorare nach vielen Jahren ohne Preiserhöhung mit den Argumenten der PKV, die über all die Jahre erhebliche Kostensteigerungen auch in der privaten ambulanten Behandlung zu verzeichnen hatte, in Einklang gebracht werden?

Franz: Bei der Steigerung der Honorare muss, wie immer, ein Kompromiss gefunden werden, der die berechtigten Forderungen der Ärzte, die Kostensteigerung bei der PKV und die Zwänge der Länderhaushalte berücksichtigt. Dieser Kompromiss wird sicher moderat ausfallen.

Vor der Bundestagswahl wird von der SPD und von den Linken wieder die Bürgerversicherung als Alternative zum dualen System von GKV und PKV ins Spiel gebracht. Wäre das das Ende für privatärztlich tätige Ärzte?

Franz: Bei der sogenannten Bürgerversicherung müsste es sicher lange Übergangsphasen geben, denn man muss wissen, dass die privatversicherten Patienten und die Selbstzahler zur Zeit 38 Prozent der Kosten im Gesundheitswesen tragen. Die harte Variante der Linken führt zu einer kompletten Verstaatlichung des Gesundheitssystems, so wie in der ehemaligen DDR und zur Zweiklassenmedizin, da es in beiden Fällen Patienten geben wird, die ihre Behandlung selbst bezahlen. Aber langfristig wäre das sicher das Aus für viele Privatpraxen.

Wie wäre Privatmedizin unter einer Bürgerversicherung aus Ihrer Sicht vorstellbar?

Franz: Privatmedizin und Bürgerversicherung wären nur dann vereinbar, wenn die Bürger sich frei zwischen der staatlichen und privaten Versicherung entscheiden könnten. Dazu müsste die Definition der Bürgerversicherung geändert werden, von einer Zwangsversicherung zu einer freien Versicherungswahl für die Bürger. Dann würden die jeweiligen Argumente entscheiden.

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