So trickst Botulinumtoxin den Verdauungstrakt aus

Botulinumtoxin war für Wissenschaftler lange ein Rätsel: Denn es gelangt als Ganzes ins Blut, ohne vorher zersetzt zu werden. Das ist einmalig in der Natur. Jetzt haben Forscher das Geheimnis gelüftet.

Veröffentlicht:
Botulinumtoxin wird in der Kosmetik zum Glätten von Falten genutzt.

Botulinumtoxin wird in der Kosmetik zum Glätten von Falten genutzt.

© Christine L. / panthermedia.net

HANNOVER (eb). Botulinumtoxin war für die Wissenschaft lange ein Rätsel. Denn das hochmolekulare Eiweiß gelangt als Ganzes ins Blut. Das ist höchst verwunderlich und einmalig in der Natur, denn normalerweise werden Proteine zuvor von Enzymen des Magens und der Bauchspeicheldrüse zerlegt.

Forscher aus Hannover haben nun mit US-Kollegen aufgeklärt, wie das Bakterium Clostridium botulinum sein Nervengift komplett ins Blut schleust. Das hat die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) mitgeteilt.

Das Toxin kann in verdorbenem Fleisch oder Fisch enthalten sein und dann eine schwere Lebensmittelvergiftung auslösen. In der Medizin werden damit zum Beispiel schwere Bewegungsstörungen behandelt, in der Kosmetik Falten geglättet.

Säure- und enzymstabiles Paket

Wie die Forscher jetzt herausgefunden haben, hat C. botulinum eine raffinierte Methode entwickelt, mit der es sein Gift unbeschadet durch das für Eiweiße feindliche Milieu des Verdauungstrakts schleust: Es verpackt das Toxin in ein säure- und enzymstabiles Paket.

Erst im Darm öffnet es sich, und das freigelassene Gift gelangt durch die Darmwand ins Blut. Als Signale nutzt das Bakterium die unterschiedlichen pH-Werte der einzelnen Darmabschnitte: Das Paket ist mit einem pH-Sensor ausgestattet. Bei neutralem Wert im unteren Darmsegment löst er die Gift-Freigabe aus (Science).

Zudem haben die Wissenschaftler mit Röntgenstrukturanalyse einen Komplex aus inaktiviertem Botulinumtoxin und stabilem Schutzeiweiß gentechnisch hergestellt und kristallisiert. Er besteht aus mehr als 2600 Aminosäuren oder 21.000 Atomen. Auch die pH-Sensoren haben sie charakterisiert.

Erkenntnisse werden in Arzneitherapie eingebracht

Nun wollen sie ihre Erkenntnisse nutzen, um Arzneistoffe aus Eiweiß , die bisher intravenös appliziert werden müssen, für eine orale Einnahme verfügbar zu machen, etwa Insulin, Erythropoetin (EPO), Wachstums- und Gerinnungsfaktoren.

Dazu hätten sie bereits erste Kontakte mit einer Firma aufgenommen, so die Mitteilung. Das Transportvehikel könnte die Behandlung vieler Krankheiten wie Diabetes erleichtern.

Lesen sie auch
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren

Lesetipps
Ein Hinweisschild mit Bundesadler vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

© Uli Deck/picture alliance/dpa

Update

Urteil

Bundesverfassungsgericht: Triage-Regelung nicht mit Grundgesetz vereinbar