Neuer Genroboter in Deutschland entwickelt, in den USA genutzt

HANNOVER (grue). Das Max-Planck-Institut (MPI) für experimentelle Endokrinologie in Hannover hat einen Roboter entwickelt, der die Genaktivität in Gewebeschnitten sichtbar macht und zehnmal schneller arbeitet als eine Laborkraft.

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In sehr kurzer Zeit kann das Expressionsmuster tausender Gene untersucht und dreidimensional in Bilddatenbanken bereitgestellt werden. Deutsche Forscher werden sich mit einer solchen Genaktivitätskarte aber wohl nicht rühmen können - Erstnutzer der patentierten GenePaint™-Technik ist eine US-Stiftung, deren Potentat Paul Allen sich mit "Allen’s Brain Atlas" einen Platz in der Wissenschaftshistorie sichern könnte.

Die Paul-Allen-Stiftung hat für 100 Millionen US-Dollar ein neurowissenschaftliches Institut in Seattle errichtet, in dem die Technik aus Deutschland nun im großen Maßstab genutzt wird. Ziel ist es, mit Hilfe der automatisierten In-situ-Hybridisierung - diese Aufgabe übernimmt der Roboter - die Aktivität von etwa 20 000 Genen im Gehirn ausgewachsener Mäuse bildlich darzustellen. Pro Gen sind fast 120 Arbeitsschritte mit der Pipette nötig, die der Roboter schnell und exakt bewerkstelligt.

200 Gewebestücke lassen sich gleichzeitig analysieren

Herzstück des 170 000 US-Dollar teuren Gerätes sind die 48 Durchflußkammern, in denen die Hybridisierung stattfindet. In dünnen Kapillarspalten reagiert das Gewebe mit speziellen Gensonden und wird anschließend gewaschen. Die gebundenen Sonden, die sich nicht wegspülen lassen, spiegeln die Genaktivität wider, die sich über eine digitale Kamera und ein auto-fokussierendes Mikroskop am Bildschirm darstellen läßt.

Mit dem neuen System können gleichzeitig bis zu 200 Gewebeschnitte bearbeitet werden. Innerhalb von zwei bis drei Jahren ließe sich so das gesamte Mäusehirn kartieren - und jeder kann in "Allen’s Brain Atlas" nachschauen, welche Gene in den einzelnen Hirnabschnitten aktiv sind.

Für den Direktor des hannoverschen MPI, Professor Gregor Eichele, ist die neue Technik eine bahnbrechende Erfindung, die die funktionelle Genomanalyse entscheidend voranbringt. Die Expressionsmuster von Genen lassen Rückschlüsse auf deren Funktion zu und helfen, geeignete Wirkorte für Medikamente aufzuspüren.

Das neue Allen-Institut für Hirnforschung in Seattle meldete, man werde mit der Erstellung des Hirnatlas die Erforschung neurologischer Erkrankungen wie Morbus Alzheimer und Schizophrenie vorantreiben. Allen, Mitbegründer von Microsoft, gehöre zu Amerikas Top-Philanthropen, heißt es in einer Mitteilung, und unterstütze nur Forschungsprojekte von herausragender Bedeutung für die Zukunft.

Auch Nobelpreisträger James Watson sei vom Wert der Technik überzeugt. Den Erfinder Eichele erfüllt das zwar mit Stolz, aber er bedauert, das das Gen-"Malgerät" vorerst nicht in Deutschland genutzt wird: "Wir haben die Diamanten ausgegraben und machen nun kein Schmuckstück daraus".

Eicheles Forschergruppe würde gern einen ähnlichen Atlas anlegen, auf dem die Genexpression im Gehirn neugeborener Mäuse zu sehen ist. "Dann könnten wir die Genaktivitäten im wachsenden und alten Hirn vergleichen und wüßten, welche Genfunktionen im Lauf der Zeit verloren gehen".

Für das Projekt veranschlagt der Forscher 15 Millionen Euro - schließlich ist die Infrastruktur schon vorhanden - und hätte am liebsten schon mit der Arbeit angefangen: "Unseren Vorsprung hätte ich gern genutzt". Aber Bund und Land geben kein Geld, und private Stifter sind hierzulande rar.

"An der Umsetzung von Grundlagenforschung gibt es wohl nur wenig Interesse", so Eichele. Für sein Institut ist es nicht der einzige Wehmutstropfen: Eichele zieht demnächst mit seiner Gruppe nach Göttingen, weil das MPI sparen muß und Forschungsstandorte zusammenlegt. Der Roboter geht natürlich mit, denn vielleicht findet sich ja doch noch ein Sponsor, der vom Potential der Genomanalyse überzeugt ist.

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