Uhren-Gen steigert Empfänglichkeit für Alkohol

BERLIN (grue). Seit 2001 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN), um die Funktion von Genen bei Menschen aufzuklären. Im Mittelpunkt der Arbeiten steht die Erforschung der genetischen Ursachen von häufigen Krankheiten, etwa Suchtkrankheiten oder Morbus Parkinson, wie bei einem Presseworkshop des NGFN in Berlin deutlich wurde.

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Das Projekt besteht aus neun Genomnetzen, auch zu Krebs, Infektionen und neurologischen Störungen. Bei der Erforschung der komplexen Krankheitsbilder müssen systematisch Tausende von Genen analysiert werden. Wie es in Berlin hieß, wird dies von projektübergreifenden systematisch-methodischen Plattformen übernommen.

Durch mutiertes Uhren-Gen mehr Glutamat im Gehirn

In einem der Projekte geht es um die genetische Grundlage von Alkoholismus. Bekanntlich wird der Schlaf-Wach-Rhythmus von mehreren Genen gesteuert. Ist eines dieser Gene mutiert, steigt die Lust auf Alkohol - so ist es zumindest bei Mäusen, und es gibt Hinweise, daß auch Menschen mit gestörter innerer Uhr eher dem Alkohol zugeneigt sind.

Wissenschaftler des NGFN haben bei Mäusen ein mutiertes Gen gefunden, das offenbar ursächlich mit einem erhöhten Alkoholkonsum verknüpft ist. "Tiere mit einem veränderten PER2-Gen waren dem Alkohol sehr zugetan", berichtete Professor Rainer Spanagel von der Universität Heidelberg.

Dieses Gen gehört zur Gruppe der Uhren-Gene, die über selbstregulierende Feedback-Mechanismen Schlaf- und Wachzeiten steuern. Ist das Gen defekt, steigt im Gehirn die Glutamat-Konzentration.

Dieser Neurotransmitter gilt als Muntermacher, weil er die Aktivität erregender Neuronen verstärkt. "Offenbar funktioniert bei den Mäusen mit den Mutationen der Glutamat-Transporter nicht mehr, weshalb sich der Transmitter im extrasynaptischen Spalt anhäuft", so Spanagel. Die Tiere vertragen dann mehr Alkohol und trinken auch mehr.

Nun wird geprüft, ob auch bei Menschen genetische Varianten im PER2-Gen für unterschiedliche Trinkgewohnheiten bedeutsam sind. Entsprechende Hinweise bei Jugendlichen gebe es bereits, so Spanagel.

Und mehr noch: Die Genmutation könnte die Wirkung von Acamprosat beeinflussen, einem Medikament zur Behandlung von alkoholkranken Patienten. Das Mittel unterdrückt die Gier nach Alkohol. Es heftet sich auf der Zelloberfläche an einen Subtyp der Glutamat-Rezeptoren.

Dadurch wird die Übererregung von Neuronen durch den exzitatorischen Rezeptor gehemmt. Von diesem Rezeptortyp gibt es bei Alkoholkranken durch den chronischen Alkoholkonsum viel zu viele. Bisher war nicht bekannt, weshalb Acamprosat nicht bei allen abstinenten Alkoholkranken den Rückfall in die Sucht verhindert.

"Bei Mäusen mit PER-2-Mutation reduzierte Acamprosat aber durchgehend den Alkoholkonsum, und parallel dazu sank die Glutamat-Konzentration im Gehirn der Tiere", so Spanagel. Er vermute deshalb, daß das Medikament vorzugsweise bei gestörtem Glutamatstoffwechsel wirkt.

"Das wären dann Menschen mit Genmutation, aber auch solche mit gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus wie etwa Schichtarbeiter und Flugpersonal". Der postulierte Zusammenhang zwischen Uhren-Gen und Alkoholpräferenz scheint auch insofern plausibel, weil die meisten Nacht-Eulen gern Alkohol trinken.

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