Deutschland ist bei der Gentherapie eher zurückhaltend

BERLIN (gvg). Die Behandlung von Patienten mit der Immunschwäche SCID-X1 ist die größte Erfolgsgeschichte der Gentherapie. In den Studien in Frankreich, England und den USA wird ein Retrovirus als Genfähre genutzt. In Frankreich sind jedoch inzwischen drei Kinder an Leukämie erkrankt. Eines ist daran gestorben. Die Studie war deswegen zweimal unterbrochen worden. Sie wird aber fortgesetzt.

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In Deutschland wurde diese Entwicklung aufmerksam beobachtet, weil auch hier in einigen Gentherapiestudien Retroviren als Genfähren verwendet werden.

Als Reaktion auf die Leukämie-Erkrankungen wurden eine Studie zur HIV-Gentherapie, zwei zur gentherapeutischen Behandlung von Patienten mit Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung (GvH-Erkrankung) und mehrere Studien bei chronischer Granulomatose vom Paul-Ehrlich-Institut und der Kommission Somatische Gentherapie der Bundesärztekammer neu bewertet.

All diese Studien werden mittlerweile fortgeführt, zum Teil unter Auflagen. So gibt es bei der HIV-Studie, bei der Lymphozyten verwendet werden, die ein HIV-hemmendes Gen tragen, strengere Kriterien für die Auswahl der Patienten: Nur noch tatsächlich bereits an Aids erkrankte HIV-Infizierte ohne weitere Therapie-Möglichkeit nehmen jetzt an der Studie teil.

Die meisten Wissenschaftler sind allerdings der Auffassung, daß die Entwicklung von Leukämie kein Problem der retroviralen Genfähren ist, sondern daß es sich um ein spezifisches Problem bei der Immunschwäche SCID X1 handeln könnte. Das Gen mit der Bezeichnung LMO2, in das die Genfähre in den verwendeten Blutstammzellen eingebaut wird, wird dadurch offenbar in einzelnen Fällen übermäßig aktiv. Das könnte die Entstehung von Tumoren erklären.

Insgesamt ist Deutschland in Sachen Gentherapie ein eher zurückhaltendes Land, wie das "Deutsche Register für Somatische Gentransfer-Studien" (DeReG) verrät. Wurden bisher weltweit über 6000 Patienten in mehr als 1000 Studien behandelt, so sind es in Deutschland bisher nur 361 Patienten in 40 Studien (Stand Mai 2005).

Das Gros davon, nämlich 77 Prozent, entfallen auf Krebserkrankungen, was in anderen Ländern ähnlich ist. Der zweite große Brocken mit 13 Prozent sind Infektionen und parasitäre Erkrankungen. Dahinter verbergen sich vor allem Studien zu opportunistischen Infektionen bei Patienten mit einer HIV-Infektion.

Das Gentherapie-Register ist zu finden unter http://www.dereg.de/

Lesen Sie dazu auch: "Die Gentherapie durchläuft einen Image-Wandel"

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