HINTERGRUND

Bei Brustkrebs-Familien klärt Gentest den Bedarf an Prävention

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:

Manchen Menschen hilft eine gewisse Anonymität, wenn sie sich mit ihrer Krankheit und deren möglichen Folgen für die Familie auseinandersetzen. Dazu gehören etwa Frauen, in deren Familie gehäuft Brustkrebs auftritt. Die 2. Offene Krebskonferenz in Düsseldorf bot Betroffenen Möglichkeiten, sich bei Experten zu informieren. Und manchen Betroffenen boten die Referenten auch gleich vor Ort an, sie später ausführlich persönlich zu beraten.

Dieses Angebot erhielt zum Beispiel eine 53jährige Frau mit Brustkrebs, die zwei Töchter im Alter von 28 und 30 Jahren hat. Bei der Mutter der Kongressteilnehmerin war im Alter von 49 Jahren ein Mammakarzinom diagnostiziert worden. Die Frage war: Sollten die 53Jährige und ihre Töchter einen Gentest machen lassen? Denn: Eine erbliche Veranlagung für Brustkrebs ist in dieser Situation nicht auszuschließen. Viele Frauen sorgten sich jedoch unnötig, so Dr. Caroline Nestle-Krämling von der Universitätsklinik Düsseldorf.

Gespräch mit spezialisierter Psychologin ist wichtig

Ob ein Gentest im Einzelfall mehr Vor- als Nachteile bringt, lässt sich durch ein ausführliches Gespräch mit einer spezialisierten Psychologin klären. Für einen Gentest spricht aus Sicht der Betroffenen, die Familie durch Vorsorgemaßnahmen vor einem Karzinom oder zumindest vor einem fortgeschrittenen Tumor und eventuell sich selbst vor einer Neuerkrankung schützen zu können. Das hat Dr. Christine Schneider vom Institut für Psychosomatik an der Universität Düsseldorf gesagt. So sei bei Mutationen in den BRCA-Genen sowohl das Risiko für Brust- als auch für Ovarialkrebs erhöht, sagte die Expertin, die Patientinnen im Düsseldorfer Brustzentrum berät.

Als Argument gegen einen Gentest führen manche bereits erkrankte Frauen an, mit der Krankheit nicht abschließen zu können, wenn sie den Test machen lassen. Oder die Familie möchte nicht wissen, ob es sich um eine erbliche Form des Tumors handelt.

Ungünstige Voraussetzungen für einen Gentest bei Betroffenen sind nach Angaben von Schneider mangelnde soziale Unterstützung, keine Eigenmotivation oder eine erfolglose Therapie bei seelischer Erkrankung.

2500 Frauen pro Jahr erkranken an erblichem Brustkrebs

Etwa 55 100 Frauen erkranken jährlich in Deutschland an Brustkrebs, schätzt die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister. Bei etwa 2500 Neuerkrankungen handelt es sich um eine erbliche Form des Mammakarzinoms. Und von den 7700 Frauen, die jährlich die Diagnosen Ovarial-Ca erhalten, haben etwa 300 einen erblich bedingten Tumor.

Frauen mit einer Häufung gynäkologischer Tumoren in der Familie wird zunächst eine Risikoabschätzung angeboten und eventuell auch eine Diagnostik auf Mutationen in den BRCA1- und 2-Genen. Haben sie ein mindestens dreifach höheres Risiko für Brustkrebs als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung oder liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein durch andere erbliche Faktoren als BRCA-Mutationen getriggerter Tumor auftritt, bei mindestens 20 Prozent, wird ein intensives Früherkennungsprogramm empfohlen.

Das heißt: Die Frauen werden zur Selbstuntersuchung der Brust angeleitet, und alle sechs Monate untersucht ein Arzt die Brust - auch mit Ultraschall. Außerdem sollten jährlich Mammographie und Kernspinuntersuchung erfolgen. "Wie stark wir mit dem Programm das Sterberisiko der Frauen senken können, wissen wir noch nicht", sagte Nestle-Krämling.

Finden sich im Gentest krebsbegünstigende Mutationen auf den BRCA1- oder 2-Genen, liegt das Risiko für ein Mamma-Ca zwischen 55 und 85 Prozent. Bei Frauen mit nachgewiesenen BRCA-Mutationen wird über eine Mastektomie zur Prävention diskutiert. Bei hohem Erkrankungsrisiko, etwa von 85 Prozent, wird diese - kombiniert mit Brustaufbau - explizit empfohlen.

Auch das Risiko für ein Ovarial-Ca ist bei BRCA-Mutationen erhöht. Liegt dieses bei 45 Prozent, rät das Düsseldorfer Brustkrebszentrum Frauen über 40 Jahre mit abgeschlossener Familienplanung zu einer Entfernung von Eierstöcken und Tuben (Adnexektomie), so Nestle-Krämling. "Die Empfehlungen werden immer individuell und risikoadaptiert gegeben, da Ovarialkarzinome im Frühstadium schwer zu entdecken sind."

Ob sich auch eine medikamentöse Therapie mit einem Aromatasehemmer zur Prävention bei erhöhtem Brustkrebs-Risiko eignet, wird jetzt in der IBIS-II-Studie geprüft. An der Studie sollen etwa 6000 Frauen in der Postmenopause teilnehmen. Eine Gruppe erhält täglich Anastrozol für maximal fünf Jahre, die andere Gruppe Placebo. Alle Frauen erhalten eine intensive Brustkrebsvorsorge.  



FAZIT

Etwa 55 100 Frauen erkranken jährlich in Deutschland an Brustkrebs. Bei etwa 2500 Neuerkrankungen handelt es sich um eine erbliche Form des Mamma-Karzinoms. Bei Frauen mit Mutationen auf den BRCA1- oder 2-Genen ist sowohl das Risiko für ein Mamma- als auch für ein Ovarial-Karzinom erhöht. Ein Gentest kann sich lohnen, um die Betroffenen selbst und ihre Familien durch Vorsorgemaßnahmen zu schützen. Ob ein Gentest mehr Vorteile als Nachteile bringt, muss im Einzelfall geklärt werden. (nsi)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Brustkrebsgen-Test schafft Perspektiven

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