US-Forscher machen aus Hautzellen Stammzellen - ohne gefährliche Viren

BOSTON (ple). US-Forschern ist es erstmals gelungen, ausgereifte Zellen etwa der Haut - zumindest von Mäusen - in embryonale Stammzellen zu verwandeln, ohne gefährliche Retroviren verwenden zu müssen. Stattdessen nutzten sie harmlose Erkältungsviren - allerdings mit viel geringerer Ausbeute.

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Auf induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) - verkürzt und flapsig als Ipse bezeichnet - ruhen seit einigen Monaten die größten Hoffnungen der Stammzellforscher. Denn mit diesen Zellen könnten die Wissenschaftler auf humane embryonale Stammzellen verzichten und dennoch daran forschen, sichere Zelltherapien für die regenerative Medizin zu entwickeln, etwa zur Behandlung von Patienten mit Diabetes oder Morbus Alzheimer.

Ende 2007 gelang es zum ersten Mal, die Entwicklungsstufe von Hautzellen zurück zu drehen

Seit es Ende 2007 dem Japaner Dr. Shinya Yamanaka aus Kyoto gelungen ist, die Entwicklungsstufe von Hautzellen zurückzudrehen, zu reprogrammieren, hat die Zahl der Publikationen zur Reprogrammierung stark zugenommen. Intensiv erforscht wird dieses Phänomen unter anderem von der Arbeitsgruppe um Dr. Konrad Hochedlinger aus Boston, der sich schon seit seiner Zeit bei Professor Rudolf Jaenisch in Cambridge in der Stammzellforschung stark engagiert (die "Ärzte Zeitung" berichtete).

Der Erfolg von Yamanaka bestand darin, ausdifferenzierte Hautzellen mit Hilfe von vier Genen, die in die Zellen eingeschleust wurden, zu reprogrammieren. Als Genfähren verwendete er Retroviren, die sich mit ihrem Genom allerdings in das Erbgut der Hautzellen einnisten können. Hochedlinger ist es jetzt gelungen, als Genfähren Erkältungsviren - Adenoviren - zu verwenden.

In der Regel nisten sich Transport-Viren nicht permanent in das Erbgut ein

In der Regel nisten sich diese Viren nicht permanent mit ihrem Genom in das Erbgut der reprogrammierten Zellen ein. Wie Hochedlinger jetzt in "ScienceExpress" online berichtet, ließen sich die Faktoren Oct4, Sox2, Klf4 und c-Myc, die auch Yamanaka in seinen ersten Experimenten erfolgreich zur Reprogrammierung verwendete, mit Hilfe von Adenoviren in Fibroblasten und Leberzellen von Mäusen einschleusen.

Die zu Stammzellen reprogrammierten Zellen injizierten die Forscher dann in Mäuse mit geschwächtem Immunsystem, die diese Zellen wegen der Immunschwäche nicht abstoßen. Aus den reprogrammierten Zellen entwickelten sich Teratome mit Zellen aller drei Keimblätter: Ektoderm, Mesoderm und Entoderm, unter anderem Muskelzellen, Knorpelzellen und Epithelzellen. Das sei ein Beweis für die Pluripotenz der reprogrammierten Stammzellen, so die Forscher.

Und: Wurden die reprogrammierten Zellen in Embryonen im Blastozystenstadium - also in einer sehr frühen Entwicklungsstufe -injiziert, trugen die sich daraus entwickelnden Mäuse als chimäre Tiere Zellen, die aus den reprogrammierten Zellen entstanden sind. Für Hochedlinger und seine Mitarbeiter ist das ein Beleg dafür, dass mit Hilfe von Adenoviren entstandene iPS-Zellen dasselbe Entwicklungspotenzial haben wie reprogrammierte Zellen, für deren Herstellung Retroviren verwendet wurden.

Ein Problem derzeit ist die sehr geringe Erfolgsquote

Ein Problem derzeit ist die sehr geringe Erfolgsquote: Nur etwa 0,0001 bis 0,001 Prozent der für die Reprogrammierung verwendeten fetalen Leberzellen, Fibroblasten und Hepatozyten ließen sich reprogrammieren. Zum Vergleich: werden Retroviren als Genfähren verwendet, liegt die Erfolgsquote bei 0,01 bis 0,1 Prozent. Die Forscher hoffen, mit Hilfe chemischer Substanzen diese Erfolgsquote deutlich erhöhen zu können.

Vor kurzem entwickelten Forscher um Jaenisch ein effektives Zellsystem

Wie Hochedlinger und seine Kollegen sowie die Arbeitsgruppe um Jaenisch vor kurzem berichtet haben, ist es ihnen gelungen, ein Zellsystem zu entwickeln, in dem sich mit Hilfe von Lentiviren - das sind Retroviren - erzeugte humane iPS-Zellen aus menschlichen Keratinozyten sehr effizient herstellen lassen (Cell Stem Cell 3, 2008, 340 und 346). In einem zweiten Schritt, in dem die Reprogrammierung durch Zugabe von Doxycyclin ausgelöst wurde, konnten die Forscher ganz auf Viren verzichten: Bis zu zwei Prozent der Zellen konnten reprogrammiert werden.

Ein weiterer Nachteil der Adenoviren derzeit: Fast jede vierte Zelllinie, die durch Reprogrammierung mit Hilfe dieser Viren entstanden sind, sind tetraploid, sind also mit vier kompletten Chromosomensätzen ausgestattet, möglicherweise entstanden durch Zellfusion oder durch die Auswahl der Zellen zu Beginn der Versuche.

Jetzt muss nach Ansicht der US-Forscher geprüft werden, ob die so hergestellten iPS-Zellen auch auf molekularer und funktioneller Ebene mit embryonalen Stammzellen identisch sind. Bisher sei das nicht möglich gewesen, weil bei der Verwendung von Retroviren deren Gene das Entwicklungsverhalten der induzierten Stammzellen beeinflusst hat.

Im nächsten Schritt wird die Gruppe um Hochedlinger schließlich prüfen, ob iPS-Zellen, die aus menschlichen Zellen etwa der Haut mit Hilfe der Adenoviren hergestellt werden, humanen embryonalen Stammzellen gleichen und das gleiche Entwicklungspotenzial haben.

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