INTERVIEW

Klimawandel hat auch Folgen für Deutschland: Im Osten wird’s trockener, die Dürregefahr dort steigt

Der Hurrikan Katrina hat auch hierzulande viele Fragen aufgeworfen: Werden sich solche Naturkatastrophen in Zukunft häufen? Wie gefährdet ist Europa? Der Klimaforscher Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hat sich mit diesem Thema über Jahrzehnte befaßt. Im Gespräch mit Angela Mißlbeck von der "Ärzte Zeitung" plädiert Rahmstorf für einen verstärkten Klimaschutz und für mehr Forschung zu den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels.

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"Ärzte Zeitung": Herr Professor Rahmstorf, der Hurrikan Katrina hat den Süden der USA überschwemmt und praktisch nahtlos die Bilder von den anhaltenden Waldbränden in Spanien und Portugal abgelöst. Der Eindruck wächst, daß Naturkatastrophen sich häufen. Läßt sich das wissenschaftlich belegen und erklären?

Professor Stefan Rahmstorf: Daten über die Häufigkeit von Naturkatastrophen sammeln die Rückversicherer. Sie stellen eine Zunahme fest, die zum Teil aber auch darauf zurückgeht, daß immer mehr Menschen sich in Risikogebieten ansiedeln, wie zum Beispiel an sturmflutgefährdeten Küsten wie in New Orleans. Rechnet man diesen Effekt heraus, kommen die Rückversicherer dennoch zu Steigerungen, die sich nur noch mit dem Klimawandel erklären lassen.

"Ärzte Zeitung": Den Klimawandel leugnet inzwischen kaum jemand mehr...

Rahmstorf: In Deutschland nicht, aber in den USA gibt es immer noch einflußreiche Lobby-Organisationen.

"Ärzte Zeitung": Welchen Anteil hat denn der Mensch am Klimawandel?

Rahmstorf: Den überwiegenden Teil des Klimawandels in den letzten 100 Jahren hat der Mensch zu verantworten. Mit Schwankungen der Sonnen- und Vulkanaktivität kann man die Erderwärmung von 0,7 Grad in den letzten hundert Jahren nicht erklären. Andererseits kann der vom Menschen verursachte Treibhauseffekt die volle Erwärmung gut erklären. Die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre ist bereits um ein Drittel höher als jemals in den letzten 650 000 Jahren.

"Ärzte Zeitung": Kann man die Folgen konkret benennen?

Rahmstorf: Durch die Erderwärmung steigt die Gefahr von stärkeren Stürmen, Überschwemmungen oder Dürren. Der Anstieg des Meeresspiegels, derzeit global drei Zentimeter pro Jahrzehnt, erhöht das Risiko von Sturmfluten. Hurrikanregionen werden wegen der steigenden Meerestemperaturen mit immer stärkeren Hurrikans rechnen müssen. Dürregefährdet sind etwa Nordost-China, das südliche Afrika und der Mittelmeerraum.

Der langfristige Trend für Europa geht dahin, daß der Norden immer feuchter und der Süden immer trockener wird. Die Waldbrände in Portugal und Spanien sind eine Folge der Dürre. Für Einzelereignisse wie den Hurrikan Katrina läßt sich jedoch nie sicher sagen, wie stark sie durch die Erderwärmung beeinflußt wurden.

"Ärzte Zeitung": Und was kommt auf uns in Deutschland zu?

Rahmstorf: Je kleinräumiger, desto unsicherer die Vorhersagen, weil mehr Mechanismen Einfluß nehmen, wie etwa Änderungen der vorherrschenden Windrichtung. Dennoch beobachtet man einen Trend, daß Deutschlands Osten trockener wird - hier steigt die Dürre-Gefahr.

"Ärzte Zeitung": Wie weit entwickelt sind denn überhaupt die Möglichkeiten zur Vorhersage solcher Katastrophen wie den Hurrikan Katrina?

Rahmstorf: Die USA haben ein Hurrikan-Vorhersagezentrum. Das hat bereits drei Tage vor dem Desaster von New Orleans vorausgesagt, daß Katrina auf einen Sturm der gefährlichen Kategorie 4 anwachsen wird. Zwangsevakuierungen wurden eingeleitet, aber keiner hat daran gedacht, Transportmittel für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Man geht immer davon aus, daß die Menschen in armen Ländern von solchen Katastrophen besonders betroffen sind, weil sie nicht gewappnet sind. Wie schlecht die USA damit umgehen konnten, hat mich sehr überrascht.

Allgemein gilt jedenfalls: Ein Hurrikan wird nie völlig überraschend hereinbrechen, denn er baut sich langsam über dem Meer auf und wird sofort von Spezialflugzeugen beobachtet. Schwerer vorhersagbar sind Winter- und Gewitterstürme, weil sie schneller entstehen.

"Ärzte Zeitung": Stichwort Gesundheit: Wie werden sich die Klimaveränderungen darauf auswirken?

Rahmstorf: Das ist ein Gebiet, auf dem in Deutschland noch viel zu wenig geforscht wird. Man fürchtet unter anderem, daß die Malaria sich bei zunehmender Wärme ausbreitet. Zum Beispiel im afrikanischen Hochland in Simbabwe, wo es dafür bisher zu kalt war. Die Menschen dort haben keinerlei Immunisierung.

Eine offene Diskussion ist, ob die Zunahme der Zecken in unseren Breiten mit dem Klimawandel in Zusammenhang steht. Und dann sind da die 30000 Todesopfer der Hitzewelle im Sommer 2003. Den wenigsten ist bewußt, wie schlimm die Folgen dieser Hitzewelle waren.

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