Adipositas

Leitlinie bringt Diät-Mythos zu Fall

Bei der Reduktionskost ist die Gesamtkalorienzahl wichtig, nicht deren Zusammensetzung, so die Adipositas-Leitlinie 2014. Sie bringt damit einen Mythos zu Fall.

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Alles dabei: Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß, Ballaststoffe.

Alles dabei: Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß, Ballaststoffe.

© Yantra / fotolia.com

BOCHUM. Die neue S3-Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft bringt einen vielfach geglaubten Diät-Mythos zu Fall: Bei der Reduktionskost spielt die Zusammensetzung aus Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß kaum eine Rolle, entscheidend ist nur die Gesamtkalorienzahl.

Wie das anzustrebende Defizit von 500 kcal/Tag zustande komme, ob mit low-carb, low-fat oder eiweißreicher Kost, sei unerheblich. Dies hätten vergleichend Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt, heißt es in der Leitlinie.

In der neuen S3-Leitlinie wird auch die Adipositas als Krankheit definiert, teilt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) mit. Die Bestätigung, dass Adipositas eine Erkrankung sei, soll einerseits der weitverbreiteten Stigmatisierung Übergewichtiger im Alltag entgegenwirken und andererseits eine Kassenfinanzierung der Adipositas-Therapie ermöglichen.

Bei der Festlegung der Kostenübernahme der - teuren - bariatrischen Chirurgie gab es nach längerer Diskussion schließlich den Kompromiss, einen - willkürlich gewählten - Body Mass Index (BMI) von 40 kg/m2 beizubehalten, so die DGE.

Bei einem BMI > 35 und bereits vorliegenden Folgeerkrankungen wie Diabetes werden zurzeit die Kosten von den Kassen auch übernommen, so die DGE. Auf die Problematik der Langzeitbetreuung nach bariatrischen Eingriffen und der geringer als erhofft anhaltenden Diabetesremissionen wurde auch in mehreren DGE-Blog-Beiträgen eingegangen.

Atkins-Diät, Punkte-Diät, Brigitte-Diät, Low-Carb, Low-Fat und wie sie alle heißen - mit allen kann man abnehmen. Allerdings hält der Effekt meist nicht allzu lange an, so die DGE weiter.

Gemäß der neuen S3-Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft sind jetzt für die Übergewichtigen oder deren Eltern die häufig sehr belastenden, diffizilen Nährstoffberechnungen beim Essen überflüssig. Die Gesamtkalorien sind nämlich das Entscheidende. (eb)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 12.11.201417:57 Uhr

S-3-Leitlinien-Wirrwar!

Auch wenn mein u. a. kritischer Kommentar mit dem Titel: "Diese S3-Leitlinie ist so überflüssig wie ein Kropf!" sich ausschließlich auf die besonders chaotischen S-3-Leitlinien zum Typ-2-Diabetes beziehen, was h i e r zunächst irreführend völlig deplatziert erschien, sind die neuen S-3-Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) zur Adipositas keinen Deut besser. Die DAG gibt ein 130-Seiten-Konvolut mit stets nörgelnden Zwischenrufen und abweichenden Pseudo-Meinungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) heraus, das nicht nur meine, sondern auch die Sinne der SpringerMedizinOnline- und Ärzte Zeitung-Redaktion benebelt hat.

Denn unter: http://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/050-001l_S3_Adipositas_Praevention_Therapie_2014-06_-_UEA_24.10.2014.pdf - ist in den zusammenfassenden Tabellen von "Adipositas - Leitlinie bringt Diät-Mythos zu Fall", wie es hier so schön im Titel heißt, und wie es die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) völlig missverständlich propagiert, nicht die Spur.

Im Gegenteil! In der zusammenfassenden Tabelle heißt es am Schluss unter dem Titel: "Welche praktischen Empfehlungen sollten Menschen mit Adipositas gegeben werden, um sich gesund und ausgewogen zu ernähren?".........

"1. Vermeiden von großen Portionen und häufigem Verzehr von fettreichen Lebensmitteln, z. B. fettreiches Fleisch, fettreiche Wurstwaren, fettreicher Käse, fettreiche Backwaren, fettreiche Fertigprodukte, fettreiches Fast-Food, Sahne, Schokolade, Chips usw.

2. Reduktion der Fettmenge, Bevorzugung von pflanzlichen Fetten, z. B. Öle, Nüsse, Samen.

3. Häufiger Verzehr von Lebensmittel, die reich an Ballaststoffen sind, z. B. Gemüse, frisches Obst, Vollkorngetreideprodukte.

4. In Maßen können energiereiche nichtalkoholische Getränke (z. B. Erfrischungsgetränke, Säfte, Nektare, Fruchtsaftgetränke, Eistees) konsumiert werden. Kalorienfreie Alternativen (z.B. Wasser) sollten bevorzugt werden.

5. Bei Fertiggerichten auf den Energiegehalt achten.

6. Alkoholkonsum einschränken. Keinesfalls mehr als ein bis zwei kleine Gläser an alkoholischen Getränken pro Tag konsumieren.

7. Die Vielfalt des Lebensmittelangebotes nutzen und genießen.

8. Körpergewicht regelmäßig kontrollieren.

9. Reduktion der Energieaufnahme um 500-800 kcal/Tag vor allem durch Verkleinerung von Portionsgrößen und Wahl energieärmerer Nahrungsmittel.

10. Das Protokollieren des Verzehrs bei Mahlzeiten und Getränken sowie ein regelmäßiger Mahlzeitenrhythmus erleichtern die Einhaltung der vorhergenannten Empfehlungen."

Keinesfalls heißt es, wie hier fehlinterpretiert: "Bei der Reduktionskost ist die Gesamtkalorienzahl wichtig, nicht deren Zusammensetzung, so die Adipositas-Leitlinie 2014."

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Thomas Georg Schätzler 29.07.201401:03 Uhr

Diese S3-Leitlinie ist so überflüssig wie ein Kropf!

Denn die Fachgesellschaften sind sich partout nicht einig und pflegen weiterhin ihre Profilneurosen. Insbesondere die DEGAM fällt immer wieder mit Sondervoten unangenehm auf. Musterbeispiel:

"5.39 Patienten mit T2DM [Typ 2 Diabetes mellitus) und einem BMI = 30 kann bei unzureichender glykämischer Kontrolle (HbA1c Zielbereich 6,5-7,5 %) unter Metformin empfohlen werden, GLP-1 Mimetika (Exenatid, Liraglutid, Lixisenatid) und SGLT2-Inhibitoren (Dapagliflozin) statt z. B. Sulfonylharnstoffe/Glinide zu verwenden. LoE 1b; Konsens Literatur: [290-292]."

Dieser im Konsens erstellten Empfehlung konnte sich die DEGAM nicht anschließen und formulierte folgendes Sondervotum: "Für GLP1-Analoga besteht eine unzureichende Studienlage bezüglich klinischer Endpunkte. Zusätzlich besteht möglicherweise ein erhöhtes Risiko der Auslösung einer Pankreatitis und/oder von Pankreastumoren, sodass diese Substanzgruppe nach Auffassung der DEGAM nicht empfohlen werden kann."

Dies ist nur erklärbar damit, dass die DEGAM lieber Patienten mit billigen Sulfonylharnstoffen bis zur vital bedrohlichen Hypoglykämie behandelt wissen will, statt neuere, Nebenwirkungs- und Risiko-ärmere Therapieverfahren zu akzeptieren.

Das Pankreatitis-Risiko wird begründet mit der Butler und Butler (Vater/Tochter) Studie [Diabetes 62:2595–2604, 2013], die postmortal an autolytisch veränderten Bauchspeicheldrüsen für GLP-1 behandelte, verstorbene Patienten negative Befunde festgestellt haben wollten.

Grundsätzlich ist zu sagen, dass bei eurasischen Ethnien pünktlich um 18-20 Uhr Ortszeit ein unwiderstehliches Verlangen nach kohlenhydratreicher Kost entsteht: Pizza, Pasta, Reis, Kartoffeln und das industriell gefertigte Knabberzeugs. Genau diesem Drang zu widerstehen und abends ballaststoffreiche, kohlenhydrat-a r m e Kost zu genießen, hilft vielen meiner Patienten die Aufnahme völlig unnötiger abendlicher Kohlenhydrate zu vermeiden.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z. Zt. Reykjavik/Iceland)

Dr. Wolfgang P. Bayerl 18.07.201409:01 Uhr

fehlendes Sättigungsgefühl macht den Unterschied

wie @Rudolf Hege völlig richtig kritisiert! Der schlanke Mensch ist ohne eigenes Zutun einfach früher satt.
Und dafür ist neben den "Gesammtkalorien" die "Zusammensetzung" sehr wichtig.
Eiweiß sättigt am meisten, dann kommt Fett und am wenigsten sättigen Kohlenhydrate (Zucker!).
Das Ergebnis ist, dass "Dieten" mit viel Kohlenhydraten einfach früher und häufiger abgebrochen werden,
also weniger erfolgreich sind.
Auch der eindruksvolle Effekt der Adipositaschirurgie, das bestätigt (fast) jeder Patient, ist das schnelle Sättigungsgefühl.
Hinzu kommt die Verantwortung jedes Therapeuten für die zentralen Stoffwechselwirkungen aller restriktiven Maßnamen und zu wenig Zucker hat noch niemand geschadet, zu wenig Eiweiß aber schon bis zum tödlichen Herzversagen. Das gilt besonders für Patienten postoperativ.

Rudolf Hege 17.07.201415:01 Uhr

Halbwahrheit...

Die Leitlinie enthält eine typische Halbwahrheit: Sicher ist es richtig, dass am Ende des Tages die Gesamtaufnahme entscheidend ist und nicht so sehr, in welcher Form diese Aufnahme erfolgte. Andererseits ist aber auch richtig, dass bestimmte Kostformen zu besserer Sättigung (und damit weniger Gesamtkalorienaufnahme) führen. Ein Stück Sahnetorte mag die gleichen Kalorien enthalten wie ein großer Gemüsesalat mit einem ordentlichen Steak. Nur, von der Sahnetorte wird man nicht lange satt, von dem Salat und dem Fleisch schon.

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