Alle meine Allergene

Wenn das Duschgel krank macht

Kontaktallergene müssen auf Verpackungen inzwischen deklariert werden. Wieso steigt die Zahl der Stoffe, die Kontaktallergien auslösen, nun trotzdem wieder an? Der emeritierte Göttinger Professor Thomas Fuchs fordert ein staatliches Verbot.

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Kontaktallergien werden immer häufiger. Selbst die Quietscheente in der Badewanne kann eine solche auslösen.

Kontaktallergien werden immer häufiger. Selbst die Quietscheente in der Badewanne kann eine solche auslösen.

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GÖTTINGEN. Nicht alle Krankheiten sind schicksalhaft. Viele ließen sich allein dadurch verhindern, dass Menschen nicht mehr mit bestimmten Stoffen in Berührung kommen. Wer sich dafür stark macht, stößt allerdings häufig auf Widerstand von Politikern und Lobbyverbänden. Diese Erfahrung hat der Göttinger Mediziner Professor Thomas Fuchs immer wieder gemacht.

Sein ganzes Berufsleben hat sich der Leiter des Bereichs Allergologie an der Universitätsklinik Göttingen dafür engagiert, dass Patienten besser vor Allergien geschützt und optimal behandelt werden. Fuchs ist zudem seit vielen Jahren im Vorstand des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen, vier Jahre war er dessen Präsident.

Nun ist der Allergie-Experte in den Ruhestand gegangen - und zieht eine kritische Bilanz seines Berufslebens: "Viele unserer Forschungsergebnisse kommen gar nicht bei den Patienten an."

Fuchs erforschte den Einsatz von Tränengas gegen Demonstranten

Manche Göttinger Studien allerdings haben durchaus konkrete Folgen gehabt. Ein Projekt beschäftigte sich beispielsweise mit den gesundheitlichen Risiken des Einsatzes von CS-Gas bei Demonstrationen. 1986 hatte die Polizei erstmals bei einer Demonstration im bayerischen Wackersdorf aus Wasserwerfern den chemischen Reizstoff CS auf Atomkraftgegner versprüht

 Die Allergologen stellten bei ihren Untersuchungen fest, dass das Reizgas sowohl bei Demonstranten als auch bei Polizisten zu teilweise erheblichen Gesundheitsschäden führte. Die Warnungen der Ärzte beeinflussten auch die Politik. 1990 legte zum Beispiel Niedersachsens erste rot-grüne Landesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung fest, den Einsatz von CS-Gas in Wasserwerfern zu verbieten.

Am intensivsten hat Thomas Fuchs über die Naturlatex-Allergie geforscht. Viele seiner Patienten, die daran litten, hatten eines gemeinsam: Sie trugen bei der Arbeit Einmalhandschuhe aus Naturlatex.

Entdeckung: Protein im Naturkautschuk löst Allergien aus

Vor allem Ärzte, medizinische Assistenten sowie Pflege- und Reinigungskräfte waren betroffen. Bei manchen Patienten waren die Folgen so gravierend, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben konnten. Die Forscher stellten fest, dass Eiweißstoffe, die in dem Naturkautschuk enthalten sind, die allergischen Reaktionen auslösen.

Die Erkenntnisse der Mediziner führten dazu, dass eine neue Gefahrstoffverordnung erlassen wurde. "Im klinischen Bereich dürfen nur noch Handschuhe mit einer bestimmten Proteinmenge benutzt werden, die keine Puderbestandteile mehr enthalten", erläutert Fuchs. Inzwischen habe sich die Zahl der neuerkrankten Patienten mit einer Latexallergie deutlich verringert.

Einsatz von Isothiazolinone steigt an

Bei anderen gut erforschten Kontaktallergien seien dagegen keine Verbesserungen zu verzeichnen, konstatiert der Allergologe. Die Nickelallergie sei immer noch weit verbreitet, andere Kontaktallergien hätten sogar deutlich zugenommen.

Dies betreffe vor allem die als Konservierungsmittel eingesetzten Isothiazolinone. Seit Jahrzehnten sei bekannt, dass diese Stoffe als Kontaktallergene wirken. Deshalb müssen sie inzwischen auf der Verpackung angegeben werden.

Die Deklarationspflicht habe eine Zeit lang dazu geführt, dass die Industrie diese Substanzen nur noch selten in Körperpflegeprodukten einsetzte. Inzwischen sei von dieser Zurückhaltung nichts mehr zu spüren, kritisiert Fuchs: "Ob in Duschgels, Shampoos, Kosmetika, Klarspüler, Toilettenpapier, Reinigungsmittel oder Wandfarben - überall sind diese Stoffe wieder zu finden." Isothiazolinone seien das "Kontaktallergen des Jahrzehnts" geworden.

Muss die Politik allergieauslösende Konservierungsstoffe verbieten?

Fuchs plädiert dafür, diese Konservierungsstoffe zu verbieten oder nur unter Auflagen zuzulassen. Die Deklarationspflicht sei kein ausreichendes Mittel, um Menschen vor diesen allergieauslösenden Stoffen zu schützen: "Auf vielen Verpackungen sind die Angaben der Inhaltsstoffe so versteckt und in so kleiner Schrift platziert, dass man sie kaum findet und nur mit einer Lupe entziffern kann."

Die Leiden von Allergikern seien alles andere als harmlos, mahnt der Mediziner. "Leider unternehmen die politischen Institutionen und Behörden immer noch zu wenig, um Menschen vor solchen Leiden zu bewahren." (pid)

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