Gezielte Antidementiva-Therapie ist in jedem Krankheitsstadium möglich

Ziel der Behandlung von Patienten mit Demenz-Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz ist, ihre kognitiven Fähigkeiten und Alltagskompetenz möglichst lange zu erhalten und so die Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern. Für einige Antidementiva wurden positive Effekte in Placebo-kontrollierten Studien nachgewiesen. Die Progression der Erkrankung zu bremsen, ist ein Gewinn für die Betroffenen und deren Angehörige.

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Ulrike Maronde

In Deutschland leben zur Zeit etwa eine Million Menschen mit einer Demenz-Erkrankung - mindestens jeder zweite von ihnen ist ein Alzheimer-Patient. Angesichts des steigenden Anteils älterer Menschen an der Bevölkerung wird die Zahl der Demenz-Kranken in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Dies bedeutet eine erhebliche Belastung für das Sozialsystem, aber besonders auch für die Familien der Betroffenen.

Nur ein geringer Teil der Patienten erhält derzeit Antidementiva

Zwar steht für Patienten mit Alzheimer-Demenz noch keine kurative Therapie zur Verfügung. Doch gibt es effektive Antidementiva, die die Progression dieser Erkrankung um mehrere Monate bis zu einem Jahr hinauszögern können. Allerdings bekommen zur Zeit nur zehn bis 20 Prozent der Patienten diese Medikamente, wie Demenz-Experten immer wieder bemängeln.

Außerdem werden "die Möglichkeiten der Behandlung nicht ausgeschöpft, weil die Therapie in der Regel viel zu spät einsetzt, weil überhöhte Erwartungen ihre Effekte gering erscheinen lassen, andererseits aber die enorme Bedeutung kleiner Fortschritte für den Patienten übersehen wird ...", so der Gerontopsychiater Professor Lutz Frölich vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (Arzneimitteltherapie 21, 2003, 386).

Mit einer Antidementiva-Therapie sollte also möglichst im frühen Stadium der Demenz begonnen werden - mit dem Ziel, vor allem die kognitive Leistungsfähigkeit und die Fähigkeit, im Alltag alleine zurechtzukommen, zu erhalten. Der Nutzen der Therapie im fortgeschrittenen Stadium liegt besonders darin, daß die Patienten grundlegende Alltagsfertigkeiten wie Körperpflege oder Kleidungswechsel noch mit wenig fremder Hilfe bewerkstelligen können. Zudem können Verhaltensdefizite gemildert werden, so daß dann auch weniger Psychopharmaka erforderlich sind.

Verlangsamung der Progression bedeutet Gewinn an Lebensqualität

Positive Effekte bei Alzheimer-Patienten, etwa eine Verzögerung der Krankheitsprogression, wurde für mehrere Antidementiva in Placebo-kontrollierten Studien nachgewiesen. Hierzu zählen die Acetylcholinesterase-Hemmer (AChE-Hemmer) Donepezil (Aricept®), Galantamin (Reminyl®) und Rivastigmin (Exelon®), der N-Methyl-D-Aspartat-Antagonist Memantine (Axura®, Ebixa®) und der Ginkgo-biloba-Spezialextrakt EGb 761 (Tebonin®). Die AChE-Hemmer und der Ginkgo-Extrakt werden zur Behandlung bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz eingesetzt, Memantine bei mittelschwerer bis schwerer Erkrankung.

Therapien mit AChE-Hemmern haben in Placebo-kontrollierten Studien signifikante Effekte auf die kognitiven Leistungen, auf die Bewältigung von Alltagstätigkeiten und auf das klinische Gesamturteil bei Alzheimer-Patienten ergeben. Die Progression der Erkrankung kann um Monate hinausgezögert werden. Danach verschlechtert sich der Zustand der Patienten zwar, bleibt aber im weiteren Verlauf auf höherem Niveau als bei den Patienten der Placebogruppe. Der positive Effekt dieser Behandlung kann daher über Jahre anhalten.

Eine gut verträgliche Alternative zu den AChE-Hemmern kann der Ginkgo-Extrakt EGb 761 sein. Für ihn sind bei Patienten mit Alzheimer- oder Multiinfarkt-Demenz Verbesserungen der kognitiven Fähigkeiten, der Alltagskompetenz und eine Progressionsverzögerung in Studien festgestellt worden.

Patienten mit fortgeschrittenen Stadien der Alzheimer-Demenz profitieren von der Therapie mit Memantine. In Studien konnte der Verlust der Selbständigkeit im Vergleich zu Placebo deutlich gebremst werden: Die Patienten kamen mit den alltäglichen Anforderungen besser zurecht und beanspruchten weniger fremde Hilfe, etwa beim Ankleiden oder Waschen. Auch im klinischen Gesamturteil und bei kognitiven Tests wurden die positiven Effekte deutlich.

Inzwischen haben klinische Studien zudem ergeben, daß AChE-Hemmer, Memantine und der Ginkgo-Extrakt EGb 761 auch signifikante Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit und die Alltagsaktivitäten bei Patienten mit vaskulärer Demenz oder Mischformen (Alzheimer-Demenz mit vaskulärer Komponente) haben. Dies ist insofern von Relevanz für die tägliche Praxis, als eine strikte Trennung von Alzheimer- und vaskulärer Demenz bei den meist älteren Patienten in der Regel nicht möglich ist.

Langsame Dosissteigerung auf die Zieldosierung

Wichtig für den Erfolg der Therapie ist eine ausreichend hohe Tagesdosierung der Wirkstoffe. Allerdings sollte die Behandlung mit AChE-Hemmern oder Memantine aus Gründen der besseren Verträglichkeit mit niedrigen Initialdosierungen begonnen werden, die dann langsam über mehrere Wochen auf die Erhaltungsdosis gesteigert werden. Die Erhaltungsdosis beträgt für Donepezil 10mg pro Tag, Galantamin 24mg pro Tag, Rivastigmin 12mg pro Tag und Memantine 20mg pro Tag.

Für den Ginkgo-Extrakt EGb 761 ist keine einschleichende Dosierung erforderlich, die Tagesdosis beträgt 120 bis 240mg pro Tag. Wird eine Substanz nicht vertragen oder erscheint nicht ausreichend wirksam zu sein, sollte ein Therapieversuch mit einem anderen Wirkstoff gemacht werden.

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