Rote Farbe entschärft Alzheimer-Plaques

Das Orcein aus Flechten lagert sich an Plaque-Zwischenstufen, die als giftig gelten, und wandelt sie in große ungiftige Ablagerungen um.

Veröffentlicht:
Senile Plaques in der Mikroaufnahme: Das Gehirn eines Alzheimer-Erkrankten.

Senile Plaques in der Mikroaufnahme: Das Gehirn eines Alzheimer-Erkrankten.

© Gladden W. Willis/OKAPIA

BERLIN (eb). Ein aus der Flechte Roccella tinctoria gewonnener Farbstoff macht offenbar die giftigen Ablagerungen der Alzheimer-Krankheit unschädlich.

Der rote Naturfarbstoff Orcein und ein mit ihm eng verwandter blauer Farbstoff (O4) binden an Plaque-Zwischenstufen, die für Nervenzellen besonders giftig sind. Dabei beschleunigen sie die Bildung großer Ablagerungen, die als unschädlich gelten.

Orcein aus Flechten von den Kanarischen Inseln

Ob dieser mit Zellen und im Reagenzglas entwickelte Ansatz für eine Therapie der Alzheimer Krankheit geeignet ist, müsse man zunächst durch Untersuchungen mit Tieren abklären, berichten Forscher vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch und der Charité Universitätsmedizin Berlin (Nature Chemical Biology online).

Sie gehen davon aus, dass die Vorstufen fehlgefalteter Eiweißablagerungen den Untergang der Nervenzellen verursachen. Orcein stammt aus Flechten, die etwa auf den Kanarischen Inseln seit Jahrhunderten zum Färben von Stoffen und Lebensmitteln genutzt werden.

Auf der Suche nach Naturstoffen

Auf die Spur dieses Farbstoffs kamen die Wissenschaftler, als sie Hunderte von Naturstoffen nach Substanzen gegen Nervenerkrankungen durchforsteten.

Da Orcein aus etwa 14 kleinen Molekülen besteht, die möglicherweise unterschiedlich wirken, suchten sie nach einem reinen Stoff und stießen dabei auf den blauen Farbstoff O4, der einem der 14 Moleküle des Orceins strukturell ähnelt.

Orcein wirkt nach einem weiteren Mechanismus der Entgiftung

Bereits früher hatten sie entdeckt, dass die Substanz EGCG (Epigallocatechin-3-gallate) in grünem Tee giftige in nichtgiftige Ablagerungen umwandelt.

Orcein und O4 wirken nach einem weiteren Mechanismus der Entgiftung: Sie verringern die Bildung gefährlicher Vorstufen, indem sie die Ablagerung großer Plaques beschleunigen, wie jetzt Versuche im Reagenzglas und in Zellkulturen belegen.

Bisher galt es als sehr schwer, die Bildung der gefährlichen Vorstufen zu stoppen. Wenn die Theorie der Wissenschaftler stimmt, wonach die Vorstufen der Eiweißplaques für die Nervenzellen tödlich sind, so hätten sie mit O4 eine neue Verbindung, um dort anzugreifen.

Auch Methylenblau scheint große Ablagerungen zu fördern

Der künstliche Farbstoff Methylenblau, der sich derzeit in klinischer Erprobung befindet, scheint in ähnlicher Weise die Bildung großer Ablagerungen zu verstärken. Andere Strategien zur Beseitigung von Plaques hatten in klinischen Studien bislang den Krankheitsverlauf bei Alzheimer nicht eindeutig verbessert.

Noch ist unklar, ob Orcein auch solch kleine Mengen fehlgefalteter Proteine beseitigt, wie sie im Gehirn der Patienten vorliegen. Im nächsten Schritt muss dann geprüft werden, ob die verstärkte Bildung großer Ablagerungen tatsächlich die Symptome verringert.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Eine Ärztin hält einen Reagenzstreifen zur Analyse einer Urinprobe in der Hand.

© H_Ko / stock.adobe.com

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant