Alzheimer-Therapie

Umstrittener Wirkstoff wird weiter getestet

Der Wirkstoff Idalopirdin hat neue Hoffnungen für die Alzheimer-Therapie geweckt. Jetzt soll er in einer großen Phase-III-Studie überprüft werden. Doch der Therapieansatz ist nicht unumstritten.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Die Suche nach Wirkstoffen, die die Symptome von Alzheimer mindern, geht weiter.

Die Suche nach Wirkstoffen, die die Symptome von Alzheimer mindern, geht weiter.

© Gabriele Rohde / Fotolia.com

VANCOUVER. Morbus Alzheimer wird auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht heilbar sein, daher bleibt die Suche nach guten symptomatischen Therapien weiterhin wichtig, so Dr. Alireza Atri vom Californian Pacific Medical Center in San Francisco.

Auf dem Kongress der American Academy of Neurology in Vancouver präsentierte Atri eine ausführliche Analyse der Daten einer Phase-II-Studie zu dem Serotoninrezeptor-Blocker Idalopirdin bei Alzheimer-Patienten und kündigte die Fortsetzung des klinischen Studienprogramms zur Substanz an.

Erste Studien zeigen positive Effekte

Die Blockade von Serotoninrezeptoren wird derzeit als Zusatztherapie in Kombination mit Cholinesterasehemmern geprüft. Tierversuche und erste klinische Studien deuten auf positive Effekte bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz hin. Besonderes Interesse besteht am Rezeptortyp 5-HT6. Er wird etwa im Striatum, Nucleus accumbens, Kortex und Hippocampus exprimiert und beeinflusst andere Neurotransmittersysteme.

Der aktivierte Rezeptor bremst die glutamaterge und cholinerge Übertragung. Seine Blockade löst quasi die Bremse, so Atri. Sie verstärkt die cholinerge, noradrenerge, glutamaterge und dopaminerge Neurotransmission. Dies soll die kognitive Leistung verstärken. Von Vorteil ist, dass der Rezeptor fast nur im ZNS vorkommt.

Studienteilnehmer litten an moderater Alzheimer-Demenz

An der Phase-II-Studie nahmen ausschließlich Patienten mit moderater Alzheimer-Demenz teil, der MMST-Wert lag zwischen 12 und 19 Punkten, im Mittel betrug er 17 Punkte. Alle waren zuvor mit Donepezil für mindestens drei Monate behandelt worden und erhielten dieses Medikament auch während der Studie (10 mg/d). Die 278 Alzheimer-Kranken bekamen nun zusätzlich dreimal täglich 30 mg Idalopirdin oder Placebo.

Nach 24 Wochen hatte der ADAS-cog-Wert im Schnitt um etwa 1,4 Punkte zugenommen, bei den Patienten mit Placebo war eine Abnahme des Werts um 0,8 Punkte zu verzeichnen. Zum Vergleich: Mit Cholinesterasehemmern ist im Schnitt eine drei Punkte bessere kognitive Leistung zu erwarten als mit einer Placebotherapie.

Der Nutzen einer Zusatztherapie mit dem 5-HT6-Antagonisten erreichte in der Phase-II-Studie mit der Differenz von 2,2 ADAS-cog-Punkten also eine ähnliche Effektstärke. Auch hatte sich der MMST-Wert in der Idalopirdin-Gruppe um 0,8 Punkte verbessert, in der Placebogruppe hingegen um einen halben Punkt verschlechtert. Bei der Alltagsfunktion oder Verhaltensproblemen gab es keine belastbaren Unterschiede.

Phase-III-Programm gestartet

Häufiger als unter Placebo kam es mit dem neuen Wirkstoff zu Leberwerterhöhungen (bei 10 Prozent), dagegen traten Stürze und Agitation in der Placebogruppe etwas öfter auf. Unerwünschte Wirkungen waren mit dem 5-HT6-Antagonisten ähnlich selten wie mit Placebo (bei 10 Prozent).

Nach Phase-II hat nun ein großes Phase-III-Programm begonnen, sagte Atri. In den drei Studien STARBEAM, STARBRIGHT und STARSHINE werden insgesamt 2500 Alzheimer-Patienten mit unterschiedlichen Dosierungen (10-30 mg dreimal täglich) des Serotoninrezeptor-Antagonisten behandelt.

Pharmakologische Untersuchungen hätten ergeben, dass schon bei geringeren Dosierungen als 90 mg/d eine Rezeptorsättigung auftritt. Möglicherweise genügten also bereits dreimal 10 mg/d, um einen Therapieeffekt zu erzielen.

Umstrittener Ansatz

Der Ansatz ist jedoch nicht unumstritten. Dr. Lon Schneider, Leiter des Alzheimer-Forschungszentrums an der Universität in Los Angeles, bemerkte in einem Kommentar zu den Daten aus der Phase-II-Studie, dass in Untersuchungen mit anderen 5-HT6-Antagonisten nur Patienten profitiert hätten, die zusätzlich mit Cholinesterasehemmern behandelt wurden, nicht aber solche ohne weitere Antidementiva, was ziemlich merkwürdig sei.

5-HT6-Antagonisten wie Idalopirdin hemmen sehr effektiv Cytochrom P206, ein Enzym, das auch Donepezil abbaut. Möglicherweise lasse sich der therapeutische Effekt nicht durch das neue Medikament, sondern durch einen höheren Donepezil-Spiegel erklären, argwöhnt Schneider. Es sei daher wichtig, in weiteren Studien Interaktionen mit anderen Medikamenten von direkten Effekten der 5-HT6-Antagonisten zu trennen.

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