Cannabis

Jungbrunnen für das menschliche Gehirn?

Der Cannabis-Wirkstoff THC kann Alterungsprozesse im Mäusehirn umkehren. Forscher wollen ihn nun am Menschen testen.

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Hält Cannabis den Alterungsprozess des Gehirns auf? Zumindest bei Mäusen konnte dies beobachtet werden. © Nataraj/Fotolia

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BONN. Geringe Dosen des Cannabis-Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) verbessern Studienergebnissen zufolge die nachlassende Gehirnleistung von alten Mäusen. Untersuchungen hätten gezeigt, dass der Wirkstoff THC den Alterungsprozess des Gehirns von Mäusen verändert, berichten Bonner Forscher (Nat Med 2017, DOI: 10.1038/nm.4311). In einer klinischen Studie wollen die Wissenschaftler nun untersuchen, ob THC auch die Gehirnfunktion von älteren Menschen mit einer beginnenden Alzheimer-Demenz oder einer milden Altersdemenz normalisieren kann.

Die Studie solle noch in diesem Jahr beginnen, so Professor Andreas Zimmer von der Uni Bonn. Medizinisches Marihuana sei schon lange untersucht: "In diesem Zusammenhang wissen wir, dass praktisch alles, was in der Maus funktioniert, auch im Menschen funktioniert. Von daher bin ich vorsichtig optimistisch, dass die Ergebnisse vielleicht übertragbar sind", sagte Zimmer.

Die Bonner Forscher untersuchen seit rund 15 Jahren am Mausmodell das System der Rezeptoren, auf die Cannabis wirkt. Alle Ergebnisse zeigten, dass das Endocannabinoidsystem als Teil des Nervensystems alle Alterungsprozesse beeinflusst. "Die Aktivität des Systems nimmt bei alternden Tieren ab und geht einher mit typischen Alterungssymptomen, wie Osteoporose, runzeliger Haut und abnehmender Kognitions-Leistung", so Zimmer. Abnehmende Aktivität des Systems und Alterserscheinungen gehen demnach Hand in Hand. Die Wissenschaftler fragten sich daher, ob sich die nachlassende Aktivität des Systems im Alter durch die Stimulation mit einem Cannabis-Wirkstoff umkehren lässt. Sie verabreichten Mäusen im Alter von zwei, zwölf oder 18 Monaten über einen Zeitraum von vier Wochen eine geringe Menge an THC. Danach testeten sie das Lernvermögen und die Gedächtnisleistungen der Tiere – darunter zum Beispiel das Orientierungsvermögen und das Wiedererkennen von Artgenossen.

Mäuse, die nur ein Placebo verabreicht bekamen, hätten natürliche altersabhängige Lern- und Gedächtnisverluste gezeigt, berichten die Forscher in einer Mitteilung der Uni. Die kognitiven Funktionen der mit Cannabis behandelten Tiere waren hingegen genauso gut wie die von zwei Monate alten Kontrolltieren.

Dass die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar seien, dazu gebe es Hinweise aus Israel: Bewohner eines Altersheims mit Appetitlosigkeit und Schlafstörungen hatten Cannabis bekommen. "Viele waren daraufhin auch geistig wesentlich reger", sagte Zimmer. Die Ergebnisse und Erfahrungen hätten dazu geführt, dass in Israel Cannabis für geriatrische Patienten unter klinisch kontrollierten Bedingungen untersucht werde. In Bonn wollen die Wissenschaftler die Wirkung nun genauer untersuchen.

Für schwerkranke Menschen, etwa Patienten mit der Darmerkrankung Morbus Crohn, ist Cannabis seit einiger Zeit auch in Deutschland unter bestimmten Bedingungen auf Rezept erhältlich. Es ist als illegale Droge jedoch zugleich häufig Anlass für eine suchtmedizinische Behandlung. (dpa/eb)

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