Diagnose- und Therapietips bei Diabetikern mit Polyneuropathie

FRANKFURT AM MAIN (mar). Neuropathische Schmerzen zu diagnostizieren und dann eine individuell gut wirksame Therapie zu finden, ist häufig eine knifflige Angelegenheit. Anhand eines Fallbeispiels sind beim Deutschen Schmerztag in Frankfurt Diagnosewege und Therapiemöglichkeiten bei peripherer diabetischer Polyneuropathie erläutert worden.

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In der Anamnese klagte ein 55jähriger Patient mit frisch diagnostiziertem Typ-2-Diabetes, Adipositas, Durchschlafstörungen, Prostatahyperplasie und Glaukom über besonders nachts auftretende Schmerzen in der rechten Hand und im rechten Arm sowie über brennende Dauerschmerzen an beiden Füßen. Medikamente, die er einnimmt, sind unter anderem Marcumar® wegen eine tiefen Beinvenenthrombose zwei Jahre zuvor, Glibenclamid sowie Diclofenac und Diazepam.

Elektroneurographische Messungen an der rechten Hand ergeben, daß die Nervenleitgeschwindigkeit im motorischen Anteil des Nervus medianus verlangsamt ist und im sensiblen Anteil keine Reizweiterleitung stattfindet.

Es wird zudem eine Muskelatrophie des Daumenballens festgestellt. Aufgrund dieser Befunde wird ein Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert. Die Therapie besteht in der operativen Spaltung des Ligamentum carpi transversum.

Die zur Klärung der Brennschmerzen in den Füßen veranlaßte neurologische Untersuchung ergibt, daß der Archillessehnenreflex und das Vibrationsempfinden in den unteren Extremitäten geschwächt sind. Die elektroneurographische Untersuchung des N. peroneus und des N. suralis ist ohne Befund. Es wird zudem eine verminderte Empfindlichkeit auf Hitze- und Kältereize festgestellt. Als Diagnose ergibt sich eine isolierte sensorische Polyneuropathie.

Der Patient wird aufgrund dieser Befunde mit retardiertem Amitriptylin (25 mg abends) und mit Carbamazepin (zweimal täglich 200 mg) behandelt. Trotz dieser Therapie hat sich die Symptomatik zwei Wochen später jedoch nicht verbessert. Zudem klagt der Patient nun über Tagesmüdigkeit und Heißhunger. Seine Blutzucker- und Quickwerte sind stark schwankend, und er berichtet über vermehrte Probleme beim Wasserlassen.

Die stark schwankenden Blutzucker- und Quickwerte werden durch Carbamazepin verursacht, wie Dr. Rainer Freynhagen, Anästhesiologe am Universitätsklinikum Düsseldorf, bei der von dem Unternehmen Pfizer unterstützten Veranstaltung erläutert hat.

Die Substanz ist ein starker Enzyminduktor und führt somit zum schnelleren Abbau anderer Pharmaka, in diesem Fall von Phenprocoumon und Glibenclamid. Die vermehrte BPH-Symptomatik wird auf die anticholinergen Effekte des Antidepressivums zurückgeführt. Die Appetitsteigerung kann durch Amitriptylin und Carbamazepin ausgelöst werden. Daher werden beide Substanzen abgesetzt.

Als Alternative zu Amitriptylin schlägt Freynhagen Venlafaxin oder Mirtazapin vor, die beide bei neuropathischen Schmerzen gut wirksam seien, aber keine anticholinerge Begleitwirkungen hätten.

Carbamazepin könne durch Gabapentin (etwa Neurontin®) oder durch Pregabalin (Lyrica®) ersetzt werden, da sie beide ein geringes Interaktions- und Nebenwirkungspotential aufwiesen. Pregabalin habe zudem einen günstigen Effekt auf den Schlaf, da es die Tiefschlafphasen verlängert.

Der Patient, so Freynhagen, sei dann auch mit Erfolg auf Venlafaxin (75 mg morgens) und Pregabalin (150 mg morgens und 300 mg abends) eingestellt worden.

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