Diabetiker fühlen sich gut betreut, obwohl ihre Ärzte überlastet sind

BERLIN (HL). Hausärzte in Deutschland sind mit durchschnittlich 58 Patienten pro Tag - darunter ein hoher Anteil von Patienten mit mehreren schweren chronischen Erkrankungen - hoch belastet. Die im internationalen Vergleich extrem hohe Kontaktfrequenz zwischen Patienten und Ärzten geht aber offenbar auf Kosten der Kommunikationsqualität. Bei Diabetikern setzt die Therapie zu spät an, sie ist wenig konsequent, die Patienten sind wenig compliant.

Veröffentlicht:

Das sind Ergebnisse der DETECT-Studie, bei der seit 2003 in 3500 Hausarzt-Praxen die Versorgungssituation von insgesamt 55 000 Patienten mit Diabetes und kardiovaskulären Risikofaktoren untersucht worden ist. Die Ergebnisse sind jetzt beim Hauptstadtkongreß in Berlin vorgestellt worden. Sie zeigen, daß Hausärzte mit den komplexen Patientenproblemen extrem belastet sind.

Die tatsächlichen Behandlungserfolge blieben weit hinter den - theoretisch möglichen - Therapieerfolgen komplexer Behandlungsalgorithmen, wie in Leitlinien vorgesehen, zurück, so Professor Ulrich Wittchen von der TU Dresden.

Die Herausforderung für Hausärzte: Durchschnittlich 37 Prozent ihrer Patienten haben vier oder mehr Risikofaktoren wie Übergewicht, Hypercholesterinämie, Hypertonie oder Nikotinsucht. Im Durchschnitt sieht jeder Hausarzt pro Tag 58 Patienten, in den meisten ostdeutschen Regionen noch viel mehr.

Bei 60 Prozent der Diabetiker ist der HbA1c-Wert suboptimal. Das gilt nicht nur für ältere Patienten oder solche, die schon lange mit der Krankheit leben, sondern auch in Frühstadien des Diabetes. Extrem häufig sind dies auch Patienten mit hohen kardiovaskulären Risiken. Dagegen werde erst relativ spät mit aggressiver Therapie reagiert. Als sehr schlecht wird die Versorgung von Frauen beschrieben.

Aber: Die Patienten sind im internationalen Vergleich außerordentlich zufrieden mit der Betreuung durch ihren Hausarzt. 60 Prozent sagen, sie seien "sehr zufrieden". Die hohe Kontaktfrequenz ist kein Indikator für eine gute Kommunikation: Viele Patienten wissen nicht, wegen welcher Diagnose sie behandelt werden, und sie kennen die Arzneimittel nicht, die sie erhalten. 53 Prozent der Ärzte schätzen die Compliance als mangelhaft ein.

Aus der Sicht des Ökonomen Professor Eberhard Wille deckt die DETECT-Studie ein Verbesserungspotential auf. Es müsse die Frage gestellt werden, ob multimorbide, chronisch Kranke noch durch Primärärzte optimal zu betreuen seien oder ob diabetologisch spezialisierte Hausärzte nicht als Alternative gesehen werden müßten.

Wille: "Die Erwartungen an hausarztzentrierte Versorgungsformen und deren Privilegierung im Vergleich zu anderen Versorgungsformen ist nicht durch Daten gedeckt." Ebenso müsse geprüft werden, ob Einheits-DMP für alle Diabetiker nicht durch Angebote abgelöst werden müßten, die die spezielle Situation der Patienten verstärkt berücksichtigen.

Mehr zum Thema

Große Metaanalyse

Leicht gesteigertes Diabetesrisiko unter Statintherapie

Stoffwechselstörung als Risikofaktor

Mehr Klinikeinweisungen wegen Herpes Zoster bei Diabetes

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Inkretinmimetika

GLP-1: Wie aus dem kleinen Hormon ein Rockstar wird

Risikoanalyse

Komplikation nach Hernien-Operation: Wer ist gefährdet?

Lesetipps
Mehrkosten für die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung seien Investition in den Erhalt der Praxen, betont Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. 

© Michael Kappeler / dpa

Kabinett winkt GVSG durch

Lauterbach macht Hausarztpraxen Mut: „Jede Leistung wird bezahlt“

Brücke zwischen zwei Steilklippen. Auf der Brücke stehen zwei Menschen.

© Usman / stock.adobe.com

Aktuelle Forschung

Antikörper – die Verkuppler der Krebsmedizin

Heiße Nächte können nicht nur nervig sein. Sie gehen auch mit einem höheren Risiko für Schlaganfälle einher, so das Ergebnis einer Studie aus München und Augsburg.

© samuel / stock.adobe.com

Studie mit Daten zu 11.000 Schlaganfällen

Tropische Nächte sind offenbar ein Risikofaktor für Schlaganfälle