Management per Web gewinnt an Fahrt

Blutzuckermessstreifen, Nadel, Spritzen, Kugelschreiber, Notizbuch, BE-Tabellen: Insulinabhängige Diabetiker tragen im Alltag reichlich Ausrüstung mit sich herum, um mehrmals täglich Messwerte zu erheben und sie dann auch angemessen zu dokumentieren. Trotzdem ist das Resultat oft nicht optimal: Es passieren Übertragungsfehler. Mitunter geht das Blutzuckertagebuch auch verloren. Und mit dem Arzt besprochen werden kann die individuelle Dokumentation nur beim persönlichen Arztbesuch, und nicht mal eben zwischendurch.

Veröffentlicht:

Die Daten aus dem Messgerät werden bei GlucoTel per Bluetooth-Schnittstelle aufs Handy und von dort ins Internet übertragen. Bilder: BodyTel

Internetbasierte Programme für das Blutzucker-Selbstmanagement sind dafür gedacht, um die Dokumentation der Blutzuckerwerte für Patienten zu erleichtern und Defizite bei der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten zu beseitigen: Die Blutzuckermesswerte werden nicht mehr in einem Heftchen, sondern in einem Webportal dokumentiert. Dadurch können nicht nur die Patienten selbst, sondern auch ihre Ärzte darauf zugreifen und, falls nötig, dem Patienten ohne Zeitverzögerung eine Anpassung der Insulindosis empfehlen - telefonisch, per E-Mail oder per SMS.

Das Online-Management ist für die Kontrolle im Urlaub günstig

In Deutschland war das Unternehmen DiabLink lange Zeit Vorreiter für dieses "Online-Management" der Diabetes-Erkrankung. "Besonders im Urlaub kann das sehr praktisch sein: Entgleist der Diabetes, dann kann sich der Arzt die Zuckerwerte online ansehen und die Therapie modifizieren", sagt der Diabetologe Dr. Richard Daikeler aus Sinsheim. Seine Praxis gehört zu jenen wenigen, die ihren Patienten das Angebot in größerer Zahl zugänglich gemacht haben. Rund tausend Nutzer verzeichnet DiabLink mittlerweile.

Aber auch andere Anbieter bringen sich in Position. Denn Telemedizin beginnt, salonfähig zu werden. Krankenkassen engagieren sich in strukturierten Versorgungsprogrammen.

Abrechnung der Telemedizin könnte bald zur Regel werden

Und es gibt erste Abrechnungsziffern, die es Ärzten in bestimmten Situationen erlauben, Telemedizin regulär anzubieten. Vor allem für Herzpatienten trifft das zu. Beim Diabetes ist es noch nicht so weit, aber der Umschwung dürfte auch hier nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Bei den neuen Angeboten müssen die Messwerte nicht mehr manuell ins Internet "eingepflegt" werden, sondern sie werden automatisch dorthin übertragen. Da sind zum einen telemedizinische Callcenter wie PHTS und Vitaphone, die neben diversen Angeboten für Herzpatienten zunehmend auch Lösungen für die Fernüberwachung von Diabetikern ins Programm nehmen.

PHTS beispielsweise hat ein Diabetiva genanntes Betreuungsprogramm entwickelt, bei dem Diabetiker nicht nur ihre Blutzuckerwerte zweimal die Woche per Modem in eine Internetakte schicken. Seit einem Jahr wird das Programm Versicherten der Taunus BKK deutschlandweit angeboten. In diesem Kontext läuft auch eine Studie zur Evaluation des Programms, deren Endergebnisse für das Jahr 2009 erwartet werden.

Konkurrent Vitaphone hat zusammen mit der Deutschen Diabetes-Gesellschaft und der Deutschen Diabetes-Stiftung ebenfalls eine Studie ins Leben gerufen. In dieser DESS-Studie mit angestrebten rund tausend Patienten wird die persönliche Beratung durch Arzt oder Apotheker mit der Beratung durch ein Callcenter verglichen. Auch hier sollen die Ergebnisse im Jahr 2009 vorliegen.

Ergebnisse von Studien zur Evaluation sollen im Jahr 2009 erstmals vorliegen.

Ein neuer Anbieter auf dem Markt ist das Unternehmen BodyTel, das die Lösung GlucoTel entwickelt hat, die derzeit den Prozess der CE-Zertifizierung durchläuft und danach über Apotheken und Arztpraxen vertrieben werden soll. Anders als bei vielen Callcenter-Anbietern ist bei GlucoTel kein extra Gerät für die Datenübertragung erforderlich. Ein Handy reicht aus. Es sammelt die Werte vom Blutzuckermessgerät per Bluetooth ein und funkt sie direkt weiter ins Internet. "Derzeit ist GlucoTel mit etwa zwanzig Mobiltelefonen kompatibel. Das wird aber schrittweise erweitert", betont Michaela Klinger, Marketingleiterin von BodyTel.

Eine Besonderheit bei dem BodyTel-Angebot ist das Finanzierungsmodell: "Der Diabetiker zahlt einmalig 120 Euro für die Ausstattung, also Blutzuckermessgerät, Software und Betriebsanleitung für die Installation. In diesem Betrag sind eine lebenslange Garantie und die lebenslange Nutzung der Internetdienste enthalten", so Klinger. Es fallen also keine zusätzlichen monatlichen Gebühren an. Nur die Gebühren für die Datenübertragung müssen bezahlt werden. Bei einer Daten-Flatrate entfällt auch das. Die Refinanzierung der Dienstleistung des Unternehmens soll letztlich über den Verkauf der Blutzuckerteststreifen erfolgen.

Zugriff auf die Daten können auch Angehörige bekommen

Die meisten Anbieter von Diabetesportalen mit Telemedizinfunktion wollen nicht nur elektronische Tagebücher sein, sondern bieten zusätzliche Services an. Callcenter, in denen Mitarbeiter beratende Funktion übernehmen, den Hausarzt aber nicht ersetzen, sondern ergänzen sollen, sind ein solcher Service.

PHTS bietet in seinem Programm außerdem eine 72-Stunden-Blutzuckermessung an, die Grundlage für einen individuellen Therapieplan ist, der dem Patienten sowie Haus- und Facharzt zur Verfügung gestellt wird.

Bei BodyTel schließlich wird das Thema Selbstmanagement sehr betont: So hat der Diabetes-Patient die Möglichkeit, nicht nur seinem Arzt, sondern auch Angehörigen - etwa den Eltern von Kindern mit Typ-1-Diabetes - oder Freunden Zugriff auf die Daten zu verschaffen. Diese wiederum können Alarmfunktionen einrichten, so dass sie zum Beispiel per SMS informiert werden, sobald Opa oder Kind einen bestimmten Blutzuckerkorridor verlassen. (gvg)

Lesen Sie mehr im Special: Blutzucker-Selbstmessung

Der Wettbewerb bei Telemonitoring nimmt zu
Telemedizin-Anbieter für Diabetiker im Überblick
Anbieter Kurzbeschreibung Internet-Adresse
DiabLink Pionier mit enger Anbindung an niedergelassene Diabetologen www.diablink.net
Vitaphone Telemedizinisches Callcenter mit breiter Angebotspalette, Diabetes-Monitoring auch unabhängig vom Service-Center möglich www.vitaphone.de
PHTS Derzeit größter deutscher Telemedizinanbieter mit eigenem Callcenter,
Produkt: Diabetiva
www.phts.de
BodyTel Neuer Anbieter mit neuem Kostenmodell, Produkt: GlucoTel www.bodytel.de
Dr. Hein EvoCare-Monitoring Diabetes. Datenübertragung erfolgt über einen Kugelschreiber mit integrierter Minikamera
(früher: Blande homecare.diabetes)
www.dr-hein.de
HMM Heidelberger Medical Marketing GmbH, Geräte ermöglichen Datenübertragung an Telemedizin-Systeme mit Diabetes-Tagebuch www.smartlab.org
Roche Telemedizin für Diabetiker über Tochterunternehmen Emminens, noch nicht in Deutschland www.emminens.com
Medtronic Telemedizin für Diabetiker über CareLink-Plattform, noch nicht in Deutschland www.medtronic.de
Quelle: gvg, Tabelle: Ärzte Zeitung
Mehr zum Thema

Tierexperiment: Neuer Signalweg identifiziert

Essen in Sicht? Die Leber ist schon aktiv!

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tierexperiment: Neuer Signalweg identifiziert

Essen in Sicht? Die Leber ist schon aktiv!

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer