Die erektile Dysfunktion ist immer noch ein Tabu-Thema

Bei der Anamnese von Diabetikern sollte stets nach erektiler Dysfunktion gefragt werden. Denn die Prävalenz beträgt bis zu 60 Prozent.

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Von Prof. Hellmut Mehnert

Die erektile Dysfunktion ist die am wenigsten erforschte, diagnostizierte und therapierte Komplikation des Diabetes. Man nimmt heute an, dass die autonome Neuropathie eine entscheidende Bedeutung für das Entstehen der Erektionsstörung hat. Allerdings wirken sich auch Mikro- und Makroangiopathie und andere Faktoren nachteilig multifaktoriell auf dieses Geschehen aus: Die Kombination von vaskulärer und neurogener Impotenz lässt sich bei zwei Dritteln der Patienten nachweisen.

Eine sorgfältige Anamnese muss in der Basisdiagnostik ergründen, ob nicht zusätzlich auch psychogene Faktoren für das Entstehen eine Bedeutung haben. Morgendliche oder nächtliche Erektionen gelten als Hinweis auf eine autonome Neuropathie.

Die Therapie bei erektiler Dysfunktion wird ganz beherrscht durch die orale medikamentöse Therapie von selektiven Phosphodiesterase-V-Hemmern wie Sildenafil, aber auch von den neueren Substanzen Vardenafil und Tardalafil.

Letztere zeichnen sich im Vergleich zu Sildenafil durch einen schnelleren Wirkeintritt, eine längere Halbwertszeit sowie eine höhere therapeutische Effektivität aus. Auch haben beide Substanzen eine höhere Rezeptorspezifität und damit ein reduziertes Spektrum unerwünschter Wirkungen. In der Effektivität sind die Substanzen letztlich ähnlich, wie prospektive randomisierte Studien gezeigt haben. In einer neuen Untersuchung zur Anwendung von 10 bis 20 mg Tardalafil wurde belegt, dass die Häufigkeit eines erfolgreichen Geschlechtsverkehrs um 22 Prozent unter Placebo auf 53 Prozent mit Therapie gesteigert werden konnte. Ein gewisser Effekt wird auch von dem länger bekannten Yohimbin berichtet, eine Substanz, die aber sicherlich ebenso wie Apomorphin in den Hintergrund getreten ist.

Die übrigen Behandlungsmaßnahmen haben nicht mehr die Bedeutung, die ihnen früher zuerkannt wurde. Das gilt für die Vakuum-Erektionshilfe (Akzeptanz nur bei 50 Prozent der Patienten) und für die langjährig geübte Schwellkörperautoinjektionstherapie (Skat), zum Beispiel mit Prostaglandin E1. Allerdings liegen bei letzterer Behandlung die Ansprechraten bei 90 Prozent; die Nebenwirkungen (Schwellkörperfibrosen, intrapenile Schmerzen) sowie die Art des Vorgehens vor dem Geschlechtsverkehr schränken aber die Möglichkeit dieser Therapie ein. Das gilt ebenso für den Versuch der intraurethralen Prostaglandinapplikation und die heute praktisch obsolet gewordenen operativen rekonstruktiven Therapiemaßnahmen. Hier hatten früher die penile Revaskularisation und Schwellkörperimplantate eine gewisse Bedeutung.

Wichtig ist aber sicherlich der Hinweis, dass eine gute Diabeteseinstellung indirekt eine wesentliche Bedeutung in der Therapie der Patienten mit erektiler Dysfunktion hat. Denn ein Patient mit einem durch schlechte Stoffwechselwerte geschwächten Organismus wird sicher eher zu dieser Komplikation neigen, als ein normoglykämisch gut eingestellter Patient, bei dem im Übrigen auch - wie die Steno-2-Studie gezeigt hat - ein günstiger Einfluss auf die bedeutsame autonome Neuropathie erzielt werden kann.

Der Vollständigkeit halber sei beim Thema erektile Dysfunktion die Verbesserung der autonomen Neuropathie durch Alpha-Lipon-Säure erwähnt, ohne dass man diese Substanz aber bei der Therapie wegen erektiler Dysfunktion den Phosphodiesterase-V-Hemmern vorziehen würde.

Professor Hellmut Mehnert

Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - diesen Themen widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren. 1967 hat Mehnert die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht. Er hat auch das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland ins Leben gerufen. Mehnert ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

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