Prävention

Schon stabiles Gewicht wäre ein großer Gewinn

Durch Abspecken von im Mittel drei bis sechs Kilo in der Bevölkerung ließen sich 40 Prozent der Diabetesfälle verhindern; etwa 22 Prozent wären es bei einer Stabilisierung des Gewichts.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Durch Abspecken ließen sich vier von zehn Diabetes-Typ-2-Fälle verhindern.

Durch Abspecken ließen sich vier von zehn Diabetes-Typ-2-Fälle verhindern.

© fovito/Fotolia

Je übergewichtiger ein Mensch ist, desto größer ist sein Diabetesrisiko. Ließen sich konsequent Übergewicht und Adipositas in der Bevölkerung verhindern, gäbe es folglich kaum noch Typ-2-Diabetes. Solche Gedankenspiele sind jedoch wenig hilfreich, wenn es um die Eindämmung der Diabetesepidemie geht, schließlich nimmt der Anteil der Übergewichtigen in der Bevölkerung weiter zu. Auch ist es für die meisten Betroffenen praktisch unmöglich, jemals wieder einen BMI unter 25 zu erreichen.

Wer die Diabetesinzidenz senken will, braucht also realistischere Konzepte. Das haben sich auch Forscher um Dr. Adina Feldman von der Universität in Umeå in Schweden gedacht und ausgerechnet, was schon ein geringer Gewichtsverlust oder zumindest eine Gewichtsstabilisierung bringen würde (BMC Public Health 2017; 17: 170).

Die meisten kriegen Speckgürtel

Die Wissenschaftler haben dazu Angaben des Västerbotten-Interventionsprogramms ausgewertet. Für das Programm wurden Bewohner der schwedischen Provinz Västerbotten im Alter von 30, 40 und 50 Jahren zu einem Gesundheitscheck eingeladen. Ärzte bestimmten dabei Größe, Gewicht, BMI und Glukosetoleranz; adipöse Teilnehmer bekamen eine Ernährungs- und Lebensstilberatung.

Nach einer Nachbeobachtungsdauer von zehn Jahren beteiligten sich an dem Programm noch rund 33.000 Personen, die zu Beginn keinen Diabetes hatten. In der Zwischenzeit war ihr BMI von im Mittel 25,0 auf 26,3 gestiegen und der Anteil der Teilnehmer mit normalem Gewicht (BMI unter 25) von 55 auf 41 Prozent zurückgegangen. Fast 57 Prozent der Beteiligten hatten deutlich an Gewicht zugelegt, 29 Prozent hatten es gehalten und nur 14 Prozent hatten es geschafft, weniger zu wiegen als zum Beginn des Programms.

Im Laufe der zehn Jahre erkrankten etwas mehr als 1000 Teilnehmer (3,3 Prozent) neu an einem Diabetes, ein Drittel von ihnen war schon bei der Basisuntersuchung mit erhöhten Nüchternglukosewerten oder einer eingeschränkten Glukosetoleranz aufgefallen.

Wie erwartet, erkrankten Übergewichtige häufiger an Diabetes, doch korrelierte jede Gewichtszunahme gleichermaßen mit der Diabetesrate. So steigt nach den Berechnungen von Feldman und Mitarbeitern das Diabetesrisiko um fünf Prozent, wenn das Körpergewicht um ein Prozent zunimmt – unabhängig vom Ausgangswert.

Entscheidend ist jedoch das Alter: Bei den 30-Jährigen wirkt sich eine Gewichtszunahme nicht auf die Diabetesinzidenz aus, sofern sie nicht schon zu Beginn adipös sind. Umgekehrt ändert diese bei älteren Teilnehmern wenig am ohnehin schon hohen Diabetesrisiko, falls sie bereits stark übergewichtig sind. Übergewichtige profitieren jedoch am stärksten, wenn es ihnen gelingt, etwas abzuspecken: Dann geht die Inzidenz nach den Resultaten der Analyse deutlich zurück.

Großes Präventionspotenzial

Aus den Angaben berechnete das Team um Feldman, dass sich rund 40 Prozent der Diabetesfälle in der Bevölkerung verhindern ließen, sofern es gelingen würde, das Gewicht der Bevölkerung im mittleren Lebensalter um fünf Prozent zu senken oder den BMI um 1,5 Punkte zu reduzieren. Je nach Körpergröße und Ausgangsgewicht würde dies bedeuten, dass Menschen über 40 Jahren im Schnitt 3–6 kg abnehmen müssten. Die Diabetesinzidenz ließe sich jedoch schon massiv senken, wenn es die Bevölkerung im mittleren Alter schaffen würde, ihr Gewicht zu halten (±1,0 kg/m2). Dann wäre mit 22 Prozent weniger Diabetesfällen zu rechnen als bei der augenblicklichen Entwicklung mit einem Anstieg des BMI um 1,6 Punkte in zehn Jahren.

Werden nur die Übergewichtigen und Adipösen betrachtet, die rund die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, dann könnte eine Gewichtsstabilisierung bei ihnen bereits 14 Prozent aller Diabetesfälle in der gesamten Bevölkerung verhindern, eine BMI-Reduktion um 1–2 Punkte würde 23 Prozent aller Neuerkrankungen vermeiden. Und gelänge es ausschließlich allen Adipösen, ihr Körpergewicht um 5–6 Prozent zu senken und dann zehn Jahre lang zu halten, würde dies etwa 8 Prozent aller Diabeteserkrankungen in der Bevölkerung verhindern.

Eine Gewichtsreduktion um fünf Prozent ist das, was nach unzähligen Interventions- und Diätstudien als halbwegs realistisch gilt. Die Forscher um Feldman vermuten daher, dass bereits Maßnahmen, die zu einer moderaten Gewichtsreduktion oder einer Gewichtsstabilisierung führen, die Diabetesinzidenz deutlich senken. Sie sehen darin ein großes Potenzial zur Diabetesprävention.

Die Studie in Kürze

» Von den 33.000 Teilnehmern des Västerbotten-Interventionsprogramms in Schweden wurden regelmäßig Daten zu BMI und Glukosetoleranz ermittelt.

» Binnen zehn Jahren legten 57 Prozent deutlich an Gewicht zu, 29 Prozent hielten das Gewicht und nur 14 Prozent nahmen ab.

» Im Verlauf erkrankten etwas mehr als 1000 Teilnehmer(3,3 Prozent) neu an Typ-2-Diabetes.

» Ergebnis: 40 Prozent der Diabetesfälle ließen sich in der Bevölkerung verhindern, wenn über 40-Jährige im Mittel 3-6 Kilo abnähmen; 22 Prozent wären es, hielten sie ihr Gewicht stabil.

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