Unterschenkelgeschwüre durch Kalziphylaxie

ESSEN (ner). Ursache von schmerzhaften Ulzera an den Unterschenkeln müssen nicht immer eine chronische venöse Insuffizienz oder eine arterielle Verschlusskrankheit sein. Essener Hautärzte berichten über eine Patientin, bei der eine Kalziphylaxie die Ursache der Beingeschwüre war.

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Bei der Kalziphylaxie handelt es sich um eine metastatische Gewebskalzinose, die überwiegend bei Patienten mit seit Längerem bestehender dialysepflichtiger Niereninsuffizienz vorkommt. Aber auch Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen, Hyperparathyreoidismus oder Krebs können betroffen sein.

Multiple Ulzera und unscharf begrenzte, livide Erytheme

Betroffen war auch eine 65-jährige Frau mit chronischer Niereninsuffizienz seit zehn Jahren. Sie klagte über sehr schmerzhafte Unterschenkelgeschwüre, die seit drei Monaten bestanden. Zunächst seien rote Flecken an beiden Beinen zu sehen gewesen, die sich livide verfärbten. Später wurden daraus multiple bis zu 8 cm im Durchmesser große Ulzera, so der Aufnahmebefund. Daneben fanden sich großflächige, unscharf begrenzte, livide Erytheme, berichten Privatdozent Joachim Dissemond und seine Kollegen von der Unihautklinik in Essen (Med Klin 102, 2007, 170).

Die Patientin hatte außer der Niereninsuffizienz viele weitere Krankheiten: renal bedingte Anämie, sekundärer Hyperparathyreoidismus, inkomplette Nebenschilddrüsenentfernung in der Vergangenheit, eine wahrscheinlich alkoholbedingte chronische Pankreatitis, KHK, erstgradige Aortenstenose, diskrete Polyneuropathie und Varikosis. Der Kalziumspiegel war erniedrigt, der Phosphatspiegel erhöht, der Parathormonspiegel normal. Die Bestimmung des Kalzium-Phosphat-Produkts ergab ebenfalls erhöhte Werte von 71,3 mg/dl (Norm: 24 bis 60 mg/dl).

Die Essener Hautärzte schlossen vaskulitische oder rheumatologische Ursachen der Ulkuskrankheit aus. Zudem ergaben sich keine Hinweise auf Diabetes mellitus, auf eine periphere arterielle Verschlusskrankheit oder eine chronisch venöse Insuffizienz. In den Gewebebiopsien, die die Kollegen vom Ulkusrand entnommen hatten, sah man fibrosierende Entzündungsreaktionen mit Verkalkungen. In der Zusammenschau der anamnestischen, klinischen und technischen Befunde gingen Dissemond und seine Kollegen von einer Kalziphylaxie als Ursache für die Unterschenkelulzera aus.

Feuchte Wundbehandlung mit nicht-zytotoxischen Antiseptika

Sie behandelten zunächst mit Antibiotika, da es bei Betroffenen oft zu Superinfektionen und Sepsis kommt. Die Hämodialyse wurde forciert. Die Patientin ernährte sich phosphatarm. Die Wunden wurden feucht behandelt. Dabei sollten nicht-zytotoxische Antiseptika wie Polihexanid oder Octenidin verwendet werden, empfehlen die Dermatologen. Mit diesen Maßnahmen reduzierten sich die Schmerzen, und die Ulzera wurden zumindest kleiner.

Prostaglandinderivate, um Durchblutung zu verbessern

Zusätzliche Therapie-Optionen sind der Versuch einer Durchblutungsverbesserung mit Prostaglandinderivaten oder die Behandlung mit Natriumthiosulfat oder Cinacalcet (Dermatology 212, 2006, 373). Da Kortikosteroide, Warfarin oder Albumininfusionen die Kalziumpräzipitation triggern können, sollten sie vermieden werden. Bei Dialysepatienten können außerdem systemische Phosphatbinder verabreicht werden. Bei erhöhten Parathormonspiegeln sei die Entfernung der Nebenschilddrüsen zu erwägen, so Dissemond. Insgesamt jedoch ist die Prognose solcher Patienten mit einer Einjahresmortalität von fast 80 Prozent sehr schlecht.



STICHWORT

Kalziphylaxie

Wie die Kalziphylaxie genau entsteht, ist noch nicht völlig klar. Notwendig ist zunächst die Mobilisierung von Kalzium. Durch einen zweiten Reiz wird die selektive Gewebeverkalkung ausgelöst, indem Kalziumphosphatkristalle ausgefällt werden. Resultat sind ischämische Gewebsnekrosen, die lokal begrenzt auftreten oder auch ubiquitär mit Befall des subkutanen Fettgewebes, der inneren Organe und der Skelettmuskulatur. Solche Myopathien, bevorzugt der großen Muskelgruppen am Gesäß und an Oberschenkeln, können stark schmerzen und schwere Rhabdomyolysen hervorrufen. (ner)

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