IgG4-Diagnostik bei Atopie

Dermatologin ärgert sich über Heilpraktiker

In ihrem Praxisalltag ärgert sich eine Münchner Hautärztin über die vielfach von Heilpraktikern angebotene IgG4-Diagnostik. Wenn auf die Bestimmung von IgE verzichtet wird, könnten reale Sensibilisierungen übersehen werden, so die Expertin.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:

MÜNCHEN. Mit nicht in der Schulmedizin verankerten Diagnosemethoden und Therapieverfahren wird beim atopischen Ekzem viel Geld umgesetzt: Für jedes erkrankte Kind werden in Deutschland im Durchschnitt etwa 300 Euro pro Jahr investiert, wie Privatdozentin Dr. Christina Schnopp berichtete.

Die Münchner Dermatologin machte bei der FoBi-Woche 2016 auf Mängel und negative Folgen der Komplementärmedizin aufmerksam.

Gerade bei der Behandlung von Kleinkindern müsse der günstige Spontanverlauf beachtet werden. Eine atopische Dermatitis, die in den ersten beiden Lebensjahren beginnt, ist bei zwei Drittel der Kinder im dritten Lebensjahr abgeheilt. "Das muss man beim Wirksamkeitsnachweis im Kopf behalten."

Leider gebe es aber "im Alternativbereich fast nie randomisierte Studien", so Schnopp.

Ärger über zu viel IgG4-Diagnostik

In ihrem Praxisalltag ärgert sich die Ärztin über die vielfach von Heilpraktikern angebotene IgG4-Diagnostik. "Ich schaue mir das gar nicht mehr an, wenn Patienten mit langen Listen kommen, was sie alles nicht mehr essen dürfen." Die vermeintlichen Allergien müssen für eine Reihe von Erkrankungen herhalten, darunter auch Juckreiz und Neurodermitis.

Tatsächlich spiegeln die IgG-Titer wider, welche Nahrungsmittel besonders häufig gegessen werden, und von ihrer Bestimmung wird in Leitlinien explizit abgeraten. Das Risiko der IgG4-Diagnostik besteht, so Schnopp, nicht nur in einer möglicherweise "stark einschränkenden Diät".

Werde auf die Bestimmung von IgE verzichtet, könnten zudem reale Sensibilisierungen übersehen werden.

Bei der scheinbar harmlosen Homöopathie sieht Schnopp das Prinzip "primum nihil nocere" nicht immer gewahrt. Das hänge davon ab, ob die Patienten die Globuli tatsächlich komplementär einsetzten. "Wenn Kindern stattdessen wirksame Therapien vorenthalten werden, ist das unethisch, und wir als Ärzte müssen etwas dagegen tun", betonte die Dermatologin.

Die Studienlage zur Homöopathie bei atopischem Ekzem sei "mau". In einer kleinen randomisierten kontrollierten Studie am Klinikum Biederstein habe sich bei identischer ausführlicher Anamnese kein Unterschied gegenüber einer Placebotherapie gezeigt.

In einer Berliner Studie mit 135 Vorschulkindern, die nach Elternpräferenz konventionell oder homöopathisch behandelt wurden, schnitten beide Therapien nach 36 Monaten zwar gleich gut ab. Jedoch waren in der Homöopathiegruppe gleiche Mengen der als Rescuemedizin erlaubten Steroide verbraucht worden wie mit der etablierten Therapie.

Nur bei den Kosten lag die Homöopathie vorne

Vorne lag die Homöopathie nur bei den Kosten, die vor allem durch die Behandlerkontakte deutlich höher waren. Hier zeigt sich laut Schnopp auch der vermutlich wichtigste Grund für die Hinwendung der Patienten zur Komplementärmedizin.

Neben dem mangelnden Erfolg der Schulmedizin – "das atopische Ekzem ist eine chronische Krankheit und wir können sie nicht heilen" – und der Angst vor Nebenwirkungen ist es laut Schnopp vor allem die "größere emotionale und kommunikative Zuwendung" durch die Behandler, die "endlich mal alles über mein Kind wissen wollen".

Für so umfangreiche Gespräche fehle Ärzten, die im Rahmen des EBM arbeiten, die Zeit, stellte Schnopp klar. Die zum Beispiel von Eltern von Kleinkindern mit Neurodermitis benötigte Unterstützung und Anleitung könne und müsse aber in Patientenschulungen wie zum Beispiel AGNES angeboten werden.

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