Hautkrank und böse

Wie Spielfilme ein Vorurteil verstärken

Vom Aussehen auf den Charakter eines Menschen zu schließen, ist ein häufiger Grund für Vorurteile. Filme bedienen sich des Mittels zu dramaturgischen Zwecken, oft sind Hautkrankheiten im Spiel. Das verstärkt die Stigmatisierung von Patienten.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Typischer Befund bei Akne. Hautkranke empfinden ihr Leiden oft als stigmatisierend.

Typischer Befund bei Akne. Hautkranke empfinden ihr Leiden oft als stigmatisierend.

© whatamiii/fotolia.com

Die Idee, wonach das Schöne und das Wahre mit dem Guten in eins fallen, ist nicht zuletzt dem Philosophen Sokrates zu verdanken. Im ebenso schlecht begründeten wie häufig angewandten Umkehrschluss wird dann das Unschöne und Hässliche als falsch und schlecht betrachtet. So abwegig dieses Urteil ist – als Vorurteil wirkt es. Die üble Folge davon ist, angeblich hässlichen Menschen einen schlechten Charakter zu unterstellen.

Nun kann, anders als für sein Benehmen, niemand etwas für sein Aussehen. Die Verknüpfung von Hässlichem mit Bösem ist daher zweifach problematisch. Einerseits überträgt sich das Schicksalhafte der Physiognomie auf das Verhalten: Wer nicht gut aussieht, wird demzufolge auch nicht gut handeln. Andererseits ist, wer absichtlich schlecht handelt, böse und trägt sein unvollkommenes Äußeres womöglich als Strafe.

Der Volte, einen verderbten Charakter in ein hässliches Äußeres zu kleiden, hat sich die Kunst von jeher bedient, indem sie den Gegensatz von Gut und Böse in die Entgegensetzung von Schönem und Hässlichem kleidet. Auch der Spielfilm bedient sich dieses Klischees und besetzt seine Bösewichte in vielen Fällen als hässliche Figuren.

Perfide wird diese Technik, wenn das hässliche Böse sich in Form von Krankheiten kleidet – eben weil der körperliche Makel damit für ein moralisches Stigma steht. Hautkrankheiten sind dafür ob ihrer Sichtbarkeit besonders prädestiniert. Und dass Hautkranke ihr Leiden oft als stigmatisierend empfinden müssen, ist eben diesem Schluss vom Äußeren aufs Innere zur Last zu legen: Weil das Böse hässlich ist, muss das Hässliche böse sein.

Dermatologische Makel sind bei den Schurken der Filmgeschichte oft zu finden. Julie Croley, Dermatologin an der University of Texas in Galveston, hat sich zusammen mit Kollegen Filmbösewichte unter dermatologischen Aspekten angesehen (JAMA Dermatol 2017, online 5. April). Darunter waren Großschurken wie Hannibal Lecter aus "Das Schweigen der Lämmer", Darth Vader aus den Star-WarsFilmen und die böse Stiefmutter in der DisneyVerfilmung von "Schneewittchen" in ihrer Gestalt als vergiftete Äpfel feilbietende Alte.

Alopezie, Warzen, Falten und Narben

Croley und Kollegen stellten fest, dass sechs von zehn der filmgeschichtlichen Hauptschurken dermatologisch auffällig waren. Das Spektrum reichte von Alopezie und Gesichtswarzen über tiefe Falten und entstellende Narben bis zu Fehlpigmentierung und Albinismus als Zeichen des Bösen.

Darth Vader etwa, schon mit Maske eher unheimlich anzusehen, wirkt nach Ablegen derselben keineswegs einnehmender. Neben Kahlköpfigkeit, tiefen Falten und auffälligen Narben zeigt er kosmetische Defizite wie halonierte Augen, Dermatochalasis und Steatoblepharon. Schneewittchens böser Stiefmutter wird der Vorsatz zum Giftmord nach ihrer Verwandlung mit einem Rhinophym, tiefen Falten, einer Warze auf dem Nasenrücken und periorbitaler Hyperpigmentierung buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Hannibal Lecter kommt da mit seiner androgenetischen Glatze vergleichsweise glimpflich davon.

Die Dermatologen um Croley wollen ihre Ergebnisse nicht als Lappalie der Alltagskultur abgetan wissen. Denn das dermatologische Stigmatisieren von Filmfiguren speist sich aus Vorurteilen – und so es diese nicht gleich selbst verursacht, verstärkt es sie jedenfalls.

Patienten mit Hautkrankheiten sehen das nicht anders. Die Darstellung des Bösen als dermatologisch gezeichnet hat in den USA beispielsweise dazu geführt, dass die National Organization for Albinism and Hypopigmentation, eine Patientenorganisation von Menschen mit Albinismus und Pigmentstörungen der Haut, dagegen protestiert hat, Schurken in Filmen als Albinos darzustellen. Croley und Mitarbeiter zählten zwischen 1960 und 2006 insgesamt 68 Filme, in denen der Böse einen Albinismus aufwies, darunter Publikumsmagneten wie "The Da Vinci Code" und "Cold Mountain".

Bösewichter mit dermatologischen Diagnosen

Dermatologische Diagnosen waren laut Croley also bei 60 Prozent der Bösesten der Filmbösen zu stellen. Die Quote signifikanter dermatologischer Befunde bei den führenden positiven Helden des Spielfilms, die zum Vergleich herangezogen wurden, lag hingegen bei null Prozent. Allenfalls waren einzelne, feine Narben zu finden, wie bei Indiana Jones in den gleichnamigen Streifen oder Rick Blaine in "Casablanca". Zu verdanken waren sie im Gegensatz zu den Narben der Bösen nicht der Filmmaske, sondern den Darstellern Harrison Ford und Humphrey Bogart, die sie aus ihrem Leben mit ans Filmset gebracht hatten.

Gut gleich schön, böse gleich hässlich: In sokratischer Manier ließe sich zu diesen filmischen Gleichungen vielleicht bemerken, das Schöne sei nicht gut, weil es schön, sondern das Gute schön, weil es gut sei. Von der Gestalt hinge somit wenig und schon gar nicht der Charakter ab.

Sokrates selbst soll übrigens recht unattraktiv gewesen sein.

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