Erstaunliches Ergebnis

Körperliche Arbeit schützt nicht das Herz

Anders als in der Freizeit scheint körperliche Anstrengung am Arbeitsplatz das Risiko für einen Herzinfarkt nicht zu senken. Wo ist der Unterschied zwischen Möbelkisten tragen und einem Work-out in der Freizeit?

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Studie: Harte Arbeit wirkt sich nicht positiv auf das Herz aus.

Studie: Harte Arbeit wirkt sich nicht positiv auf das Herz aus.

© panthermedia.net

JÖNKÖPING. Während die kardiovaskuläre Schutzwirkung von sportlichen Aktivitäten in der Freizeit gut belegt ist, gibt es widersprüchliche Beobachtungen zur Wirkung von körperlicher Arbeit. Schwedische Ärzte wollten deswegen den Beweis antreten, dass körperliche Aktivität auch im Job protektiv wirkt – und sind damit gescheitert.

In einer prospektiven Studie hatten Arbeitnehmer mit überwiegend nicht sitzender Tätigkeit zwar kein höheres, aber eben auch kein niedrigeres Herzinfarktrisiko als Menschen, die ihren Beruf vor allem im Sitzen ausübten (BMJ Open 2016; 6: e012692).

Drei Gruppen

Für die Studie waren 9961 Angestellte, davon 6849 Männer, aufgrund der körperlichen Anforderungen ihres Jobs in drei Gruppen eingeteilt worden: mehr als 50 Prozent Sitzen (Gruppe 1), mehr als 50 Prozent Stehen oder Gehen (Gruppe 2) sowie Hochheben und Tragen von Gegenständen (Gruppe 3).

Das mittlere Alter der Studienteilnehmer lag zu Beginn bei 42 Jahren. Bei 249, davon 223 Männer, wurde während der 13-jährigen Beobachtungszeit ein Myokardinfarkt diagnostiziert. Erwartungsgemäß unterschieden sich die Ausgangscharakteristika der drei Gruppen. Zum Beispiel gab es in Gruppe 3 mehr Arbeiter und weniger Fachkräfte als in Gruppe 1, außerdem den geringsten Frauenanteil und die höchste Raucherquote.

Aber auch wenn Alter, Geschlecht und sozioökonomischer Status berücksichtigt wurden, unterschied sich weder Gruppe 2 noch Gruppe 3 im Infarktrisiko von Gruppe 1. Daran änderte sich nichts, wenn zusätzlich Lebensstilfaktoren abgeglichen wurden. Eine getrennte Betrachtung der Geschlechter förderte ebenfalls keine Differenzen zutage.

Höheres Risiko bei körperlich Arbeitenden ohne Freizeitsport

Lediglich bei den anfangs unter 45-Jährigen wurde ein signifikant reduziertes Infarktrisiko festgestellt, wenn sie beruflich heben und tragen mussten.

Ein signifikant erhöhtes Risiko bestand dagegen bei Angestellten, die ihre Arbeit zwar überwiegend im Gehen oder Stehen erledigten, sich aber in ihrer freien Zeit nie oder selten bewegten. Diese Subgruppenergebnisse müssen wegen der geringen Probandenzahlen und Ereignisraten allerdings mit Zurückhaltung interpretiert werden.

Wie lässt sich erklären, dass etwa Regaleauffüllen im Supermarkt anders wirkt als Gewichtheben im Fitnessstudio? Die Studienautoren um Anna M. Johnsen von der Universität in Jönköping vermuten, dass nur Letzteres einen Trainingseffekt hat.

Körperliche Arbeit bewirke dagegen keine Verbesserung der Fitness, sondern habe eher eine Überlastung des kardiovaskulären Systems zur Folge.

Methodische Schwächen

Die schwedische Studie hat allerdings methodische Schwächen. Die körperliche Belastung im Beruf wurde nur zu Studienbeginn erfragt, sie beruht auf Angaben der Teilnehmer, und sie ist möglicherweise zu grob unterteilt.

Dennoch warnen Johnsen und Kollegen davor, sich durch körperlich anstrengende Arbeit in Sicherheit zu wähnen: "Berufsbedingte Bewegung scheint im Allgemeinen nicht auszureichen, um das Risiko für einen Herzinfarkt zu senken."

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