Erhöhte Sturzgefahr

Stolperstein Blutdrucksenker

Die Behandlung von Bluthochdruck schützt Herz und Gefäße - doch birgt offenbar eine Gefahr: Ältere Patienten stürzen häufiger. Das haben US-Wissenschaftler herausgefunden.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Erhalten betagte Patienten Antihypertensiva, ziehen sie sich häufiger Sturzverletzungen zu.

Erhalten betagte Patienten Antihypertensiva, ziehen sie sich häufiger Sturzverletzungen zu.

© Glenda Powers / fotolia.com

NEW HAVEN. Wenn betagte Patienten antihypertensiv behandelt werden, ziehen sie sich häufiger Sturzverletzungen zu. Besonders hoch ist diese Gefahr bei Patienten, die früher bereits gestürzt sind.

Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Kohortenstudie, die Ärzte von der Yale School of Medicine in New Haven durchgeführt haben (JAMA Intern Med 2014, online 24. Februar).

Nach den Angaben von Dr. Mary E. Tinetti und ihren Kollegen sind die Auswirkungen von schweren Traumen wie Hüftfrakturen und Kopfverletzungen auf Mortalität und Funktion vergleichbar mit denen von Schlaganfall und Herzinfarkt.

Die Mediziner fordern deswegen, bei älteren Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen den Nutzen eine Hochdrucktherapie sorgfältig gegen die potenziellen Risiken abzuwägen.

Die Studienergebnisse basieren auf einer repräsentativen Stichprobe von 4961 über 70-jährigen Hochdruckpatienten, die nicht in einem Pflegeheim untergebracht waren.

86 Prozent mit Antihypertensiva

Von den Studienteilnehmern wurden 14,1 Prozent nicht blutdrucksenkend behandelt; 54,6 Prozent bzw. 31,3 Prozent der Patienten erhielten eine Hochdrucktherapie mit mittlerer bzw. hoher Wirkungsstärke (maximal bzw. mehr als 2,5 definierte Tagesdosen).

Innerhalb von drei Jahren kam es bei 446 Patienten (9,0 Prozent) zu schweren sturzbedingten Verletzungen wie Frakturen, Kopfverletzungen und Luxationen. 24,9 Prozent von ihnen starben, im Vergleich zu 16,1 Prozent der Teilnehmer ohne derartige Traumen.

Von den Patienten ohne Antihypertensiva verletzten sich 7,5 Prozent bei einem Sturz, von den Patienten mit mittel- und sehr intensiver Hochdrucktherapie waren es 9,8 Prozent und 8,2 Prozent. Damit hatten sie, nachdem andere Einflüsse abgezogen worden waren, ein um 40 Prozent beziehungsweise um 28 Prozent höheres Risiko als unbehandelte Hypertoniker.

Diese Risikosteigerung verfehlte allerdings die statistische Signifikanz. Für die Validität der Assoziation spricht aber eine Propensitätsanalyse, in der jedem unbehandelten Patienten mindestens ein vergleichbarer Patient aus den beiden anderen Gruppen zugesellt wurde.

Hier lagen die 3-Jahres-Inzidenzen gravierender Sturzverletzungen bei 9,0 Prozent ohne Hochdruckmittel und bei 11,6 Prozent und 10,9 Prozent in den beiden Therapiegruppen.

Besonders mit Risiken behaftet war eine antihypertensive Therapie für diejenigen Studienpatienten, die im Vorjahr gestürzt waren: Eine gravierende Sturzverletzung ereignete sich bei ihnen mehr als doppelt so häufig wie bei den unbehandelten Hypertonikern.

Keine definitiven Schlüsse über Kausalität

Alter und Geschlecht hatten dagegen keinen Einfluss auf das therapieabhängige Sturzrisiko. Ebenso wenig konnte eine einzelne Substanzklasse innerhalb der Antihypertensiva mit einer Sturzgefährdung in Zusammenhang gebracht werden.

Inwieweit die Höhe des Blutdrucks mit der Rate sturzbedingter Traumen korreliert war, ließ sich anhand der Studiendaten nicht feststellen.

Auch wenn ihre Studie keine definitiven Schlüsse über die Kausalität der beobachteten Assoziation zwischen Blutdrucksenkern und Sturzrisko zulässt, sehen Tinetti und ihre Kollegen klinische Implikationen für die Patienten: "Es ist wichtig, die Wirkung von Medikamenten nicht nur auf die Erkrankung, für die sie indiziert sind, sondern auch auf Begleiterkrankungen, einschließlich des Sturzrisikos, zu beachten."

Es sei nicht ausgeschlossen, dass eine potenzielle gegenläufige Abhängigkeit zwischen schweren Sturzverletzungen und kardiovaskulären Ereignissen bestehe.

Aus diesem Grund sollte die Entscheidung über eine Hochdrucktherapie bei alten Menschen an der "Präventionspriorität" ausgerichtet werden, fordern die Autoren.

Das gelte jdenfalls solange, bis dazu detaillierte randomisierten Studien vorliegen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Diffiziler Balanceakt

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