Polypille zur Prävention

Die eine für alle?

Sollen alte Menschen zur Prävention generell eine Kombination aus Blutdrucksenker, Statin und ASS bekommen? Eine aktuelle Studie hat sich mit dieser Frage beschäftigt - und kommt zu einer eindeutigen Antwort.

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Nützt medikamentöse Prävention allen Senioren? An der Idee der Polypille scheiden sich die Geister.

Nützt medikamentöse Prävention allen Senioren? An der Idee der Polypille scheiden sich die Geister.

© Donmaz / iStock / Thinkstock

STUTTGART. Eine Blutdrucksenkung ist nur sinnvoll, wenn der Blutdruck erhöht ist und die Medikamente vor den langfristigen Folgen der Hypertonie schützen. Die Behandlung aller alten Menschen - unabhängig von den Blutdruckwerten - hat in einer internationalen Studie keine Schutzwirkung erzielt.

Die Idee einer Polypille für alle zur Prävention sei daher gescheitert, betont die Deutsche Hochdruckliga in einer Mitteilung.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten ja im Alter von über 50 Jahren immer häufiger auf, sie sind die dabei die häufigste Todesursache bei Senioren. Gegen die wichtigsten Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Hypercholesterinämie gibt es gut verträgliche Medikamente.

 Wäre es da nicht besonders einfach, wenn alle alten Menschen diese Mittel einnähmen?

Herzkreislauf-Risiko moderat erhöht

Diese Idee der Polypille für alle wurde in der HOPE-3-Studie an 228 Zentren in 21 Ländern untersucht. Teilnehmer waren insgesamt 12.705 Männer im Alter über 55 Jahre und Frauen (zumeist) im Alter über 65 Jahre.

Die Ergebnisse wurden kürzlich bei Kongress des American Collage of Cardiology (ACC) vorgestellt (wir berichteten) und im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht (NEJM 2016; online 2. April).

Alle Teilnehmer der Studie hatten ein moderat erhöhtes Herzkreislaufrisiko: Sie waren entweder Raucher, übergewichtig, hatten ungünstige Lipid- oder Blutzuckerwerte, eine Nierenfunktionsstörung oder Verwandte waren früh an Herzkreislaufleiden gestorben. Bluthochdruck gehörte nicht zu den Aufnahmekriterien für die Studie.

Denn die Idee der Polypille sieht vor, dass auch Menschen mit normalem Blutdruck Antihypertensiva einnehmen sollen. Die Studienteilnehmer bekamen hierzu Candesartan und Hydrochlorothiazid (HTZ). Die Studie untersuchte zusätzlich die Wirkung eines Lipidsenkers.

Hoffnungen enttäuscht

 Die ebenfalls zum Konzept der Polypille gehörende ASS wurde in der HOPE-3-Studie allerdings nicht untersucht. Das Ziel der Studie: Die Patienten sollten vor kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Herzinsuffizienz, plötzlichem Tod oder einer Koronarintervention bewahrt werden.

Am Ende wurden die Hoffnungen enttäuscht. Nach einer Behandlungszeit von 5,6 Jahren haben die Antihypertensiva in der Gesamtgruppe der Teilnehmer die Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse nicht gesenkt.

Anders waren die Ergebnisse bei den Teilnehmern, die zu Beginn Bluthochdruck hatten. Im Drittel mit den höchsten systolischen Werten (über 143,5 mmHg) sank die Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse um 24 bis 28 Prozent.

Teilnehmer mit niedrigerem systolischen Blutdruck hatten dagegen keine Vorteile durch die Blutdrucksenkung.

Die Ergebnisse überraschen die Hochdruckliga nicht. "Seit langem steht fest, dass eine Blutdruck-Senkung nur bei erhöhten Werten sinnvoll ist", so Professor Martin Hausberg, Vorstandsvorsitzender der Fachgesellschaft, in der Mitteilung.

"Bei normalen Blutdruckwerten kann die Einnahme von Antihypertensiva sogar schaden." Wie weit der Blutdruck bei erhöhten Werten gesenkt werden sollte, hängt von den Vorerkrankungen ab. Zwei weitere Studien haben hier in den letzten Jahren wichtige Hinweise geliefert.

Werte unter 130 mmHg anzustreben

Die SPRINT-Studie mit 9361 Patienten hat gezeigt, dass bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko, aber ohne Diabetes mellitus der systolische Blutdruck auf Werte deutlich unter 130 mmHg gesenkt werden sollte.

Bei Menschen mit Diabetes wird aufgrund der Accord-Studie ein etwas höherer systolischer Zielwert von unter 140 mm Hg angestrebt. Die ACCORD-Studie mit 4733 Teilnehmern hatte ergeben, dass eine stärkere Blutdrucksenkung bei Diabetikern keine sicheren Vorteile hat. (eb/eis)

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