Studie

Wie sich Weißkittelhypertonie in der Praxis aufspüren lässt

Die ambulante 24-Stunden-Blutdruckmessung ist der Goldstandard, um Übertherapie bei Weißkittelhypertonie zu vermeiden. Eine mögliche Alternative ist die automatisierte Mehrfachmessung in der Praxis.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Führt Angst zu hohem Blutdruck? Serielle Messungen können eine Weißkittelhypertonie aufdecken.

Führt Angst zu hohem Blutdruck? Serielle Messungen können eine Weißkittelhypertonie aufdecken.

© rocketclips / fotolia.com

ROTTERDAM. Der Patient sitzt allein und ungestört in einem Raum, sein Blutdruck wird automatisch und mehrfach im Abstand von einigen Minuten gemessen: Mit dieser Form der Blutdruckbestimmung fallen die Werte im Mittel deutlich geringer aus als mit der üblichen Messung durch Arzt oder Arzthelfer. Das bestätigt eine kleine Studie aus einem Hausarztzentrum in den Niederlanden. Die Studienautoren um Dr. Michiel Bos aus Rotterdam halten die serielle Messung im stillen Kämmerlein daher für eine "vielversprechende Technik", um die Überbehandlung von Weißkittelhypertonie zu reduzieren (Ann Fam Med 2017; 15: 120).

Erhebliche Differenzen

Die Ärzte haben für ihre prospektive Untersuchung Daten von 201 konsekutiven Patienten ausgewertet, bei denen aus unterschiedlichen Gründen eine solche Mehrfachmessung vorgenommen worden war.

Beim Office Blood Pressure 30 (OBP30) wird über 30 Minuten hinweg im Fünf-Minuten-Abstand gemessen und aus den letzten sechs der sieben Messwerte der Mittelwert gebildet. Die häufigsten Anlässe waren Verdacht auf Praxishypertonie, neu diagnostizierte Hypertonie, uneinheitliche Ergebnisse bei der Routinepraxismessung (OBP), die Kontrolle von Medikamenteneffekten sowie eine vermutete Therapieresistenz. Beim Vergleich mit der jeweils letzten vorausgegangen OBP ergaben sich erhebliche Differenzen: Der systolische OBP30 lag im Mittel um 22,8 mmHg niedriger (140,9 vs. 163,8 mmHg), der diastolische OBP30 war um 11,6 mmHg vermindert (88,9 vs. 77,3 mmHg). Der mittlere OBP30 war durchgängig bei allen Patienten, also unabhängig von der Indikation, geringer als der OBP. Bei Patienten im Alter ab 70 Jahre fielen die Unterschiede größer aus als bei jüngeren.

Auswirkung auf Behandlungsabsicht

Erwartungsgemäß wirkten sich die unterschiedlichen Messwerte auf die Behandlungsabsicht der Ärzte aus: 79,1 Prozent gaben an, dass sie auf Basis der Routinemessung eine Therapie begonnen oder intensiviert hätten. Die OBP30-Werte hätten dagegen nur 24,9 Prozent der Ärzte zu solchen Maßnahmen veranlasst.

Ähnliche Ergebnisse zum OBP30 wurden laut Bos und Kollegen bereits in zwei anderen Hausarztstudien beobachtet: In einer lag der Blutdruck im Mittel um 7,6 mmHg unter dem OBP, in der anderen wurden ähnliche Werte erzielt wie mit einer ambulanten 24-Stunden-Messung.

Die Studienautoren weisen aber darauf hin, dass die serielle Messung in einem Extraraum in der Praxis erst noch weiter evaluiert werden muss, um den Stellenwert gegenüber anderen Messmethoden auch im Hinblick auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität beurteilen zu können.

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