Rückschlag in der Lipidforschung

Ein weiterer Versuch, durch Ankurbelung der Bildung von "gutem" HDL-Cholesterin Herzinfarkt und Schlaganfall vorzubeugen, ist gescheitert. Eine große Endpunktstudie mit dem "CETP-Modulator" Dalcetrapib ist wegen fehlender Wirksamkeit vorzeitig gestoppt worden.

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Hier ist das LDL noch erhöht.

Hier ist das LDL noch erhöht.

© Aaron Chen / fotolia.com

BASEL (ob). Die Assoziation hoher HDL-Cholesterinspiegel mit einem niedrigen kardiovaskulären Risiko ist epidemiologisch gut belegt.

Bisher mangelte es aber an wirksamen Therapieoptionen für eine selektive Erhöhung des "guten" HDL-Cholesterins.

Als Ansatzpunkt für eine aussichtsreiche Strategie, um das trotz LDL-Senkung mit Statinen bestehende "Restrisiko" durch HDL-Erhöhung weiter zu reduzieren, gilt Experten das Protein CETP (Cholesterinester-Transferprotein).

CETP ist an der Regulation des komplexen Lipid- und Cholesterinmetabolismus an zentraler Stelle beteiligt. Das Protein wird primär in der Leber gebildet und gelangt dann ins Blut.

Hemmer und Modulatoren

Bei den neu entwickelten Substanzen mit Einfluss auf die CETP-Aktivität wird zwischen CETP-Hemmern und CETP-Modulatoren unterscheiden. Mit Dalcetrapib hatte das Unternehmen Roche einen CETP-Modulator in die klinische Entwicklung genommen.

CETP – was ist das?

CETP ist das Kürzel für Cholesterinester-Transferprotein. Dieses primär in der Leber gebildete Protein bewerkstelligt die Übertragung von Cholesterinestern zwischen HDL und Apolipoprotein B (Apo B) enthaltenden Partikeln (etwa VLDL und LDL) im Austausch für Triglyzeride. Es entleert somit die HDL zugunsten einer Anreicherung atherogener Lipoproteine mit Cholesterin, was die Plaque-Bildung begünstigen könnte. So betrachtet könnte eine CETP-Hemmung antiatherogen wirken. CETP selbst scheint aber auch potenziell antiatherogene Eigenschaften zu besitzen, indem es den Cholesterin-Efflux im Rahmen des „reverse cholesterol transport“ fördert. (ob)

Im Unterschied zu CETP-Hemmern bewirkt Dalcetrapib als Modulator nur eine selektive Hemmung der CETP-Aktivität. So soll durch die Substanz nur die proatherogene CETP-Aktivität - nämlich der dadurch vermittelte Cholesterintransfer von HDL auf (V)LDL - gehemmt werden.

Die potenziell antiatherogene Aktivität, etwa der dadurch geförderte Cholesterinrücktransport, bleibe dagegen unbeeinflusst.

Im Vergleich zu CETP-Hemmern, die das HDL-Cholesterin dosisabhängig um bis zu 140 Prozent erhöhen, bewirkt Dalcetrapib nur einen Anstieg um 30 Prozent.

Auf das LDL-Cholesterin hat dieser CETP-Modulator - anders als CETP-Hemmer wie Anacetrapib oder Evacetrapib - keinen relevanten Einfluss. Ob sich dieses Wirkprofil klinisch als Nachteil erweisen würde, konnte bisher niemand sagen.

Vielleicht, so die Hoffnung, würde ja aufgrund der Selektivität der CETP-Hemmung am Ende "weniger mehr sein".

Diese Hoffnung kann jetzt begraben werden. Am 7. April 2012 hat Roche den vorzeitigen Abbruch der entscheidenden Studie bekanntgegeben, die den Nachweis des klinischen Nutzens von Dalcetrapib erbringen sollte.

Das Unternehmen folgt damit der Empfehlung eines Expertengremiums, das bei einer zweiten Zwischenanalyse zu dem enttäuschenden Ergebnis kam, dass die Therapie ohne Wirkung geblieben war.

Schon der zweite Rückschlag mit einem CETP-Hemmer

In der dal-OUTCOMES-Studie sollten rund 15.600 KHK-Patienten mit kürzlich aufgetretenem akuten Koronarsyndrom Dalcetrapib oder Placebo zusätzlich zur Standardtherapie erhalten.

Die finalen Ergebnisse waren für 2013 erwartet worden. Wie Roche mitteilt, ist nach dem enttäuschenden Ausgang der Hauptstudie das gesamte klinische Entwicklungsprogramm (dal-HEART) mit Dalcetrapib eingestellt worden.

Dies ist schon der zweite Rückschlag auf dem holperigen Weg zur Verbesserung der kardiovaskulären Prävention durch CETP-Hemmung. Im Jahr 2006 scheiterte Pfizer bei dem Versuch, mit dem CETP-Hemmer Torcetrapib einen Nachfolger für seinen "Blockbuster" Atorvastatin zu etablieren.

Im Unterschied zu Dalcetrapib zeigte Torcetrapib in der entscheidenden Endpunktstudie Wirkung - aber leider die falsche: Es kam unter dem CETP-Hemmer zu einer Zunahme schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse, die das Ende der klinischen Entwicklung der Substanz markierte.

Die Ursachen für die unerwartete Risikozunahme sehen Experten in einer von Lipideffekten unabhängigen Wirkung von Torcetrapib auf den Aldosteron-Metabolismus. Im Falle von Dalcetrapib spielten Sicherheitsbedenken dagegen keine Rolle.

Zwei CETP-Hemmer sind noch im Rennen

Es besteht Aussicht, dass sich die CETP-Hemmung doch noch als gangbarer Weg zur weiteren Optimierung von Herz- und Gefäßschutz erweist. Im Rennen sind noch Anacetrapib (von MSD entwickelt) und Evacetrapib (von Lilly entwickelt),

Beide CETP-Hemmer sind in der Lage, das HDL-Cholesterin um mehr als 100 Prozent zu erhöhen. Beide bewirken in Kombination mit Statinen eine zusätzliche substanzielle Reduktion des LDL-Cholesterins.

Anacetrapib wird derzeit in der laufenden REVEAL-Studie bei 30.000 Patienten mit stabiler KHK, ischämischem Schlaganfall, PAVK oder Diabettes auf seinen Nutzen geprüft.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mit HDL-Erhöhung auf dem Holzweg?

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