KHK: Antidepressiva so wichtig wie Herzmittel

Mehr Bewegung und eine gute antidepressive Therapie - für depressive KHK-Patienten ist dies sogar essenziell. Denn Herz und Gefäße leiden besonders unter den Folgen einer Depression.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Depressive vergessen doppelt so oft wie Nichtdepressive, ihre Medikamente einzunehmen.

Depressive vergessen doppelt so oft wie Nichtdepressive, ihre Medikamente einzunehmen.

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KÖLN. Wenig Bewegung, viel Nikotin, schlechte Compliance - das sind die Hauptgründe, weshalb KHK-Patienten mit Depression eine besonders kurze Lebenserwartung haben.

Antidepressiva helfen, das Leben zu verlängern. Das liegt offenbar auch an deren plättchenhemmenden Eigenschaften. Sport und Verhaltenstherapie wirken ebenfalls lebenserhaltend.

Ein Herzinfarkt wirft viele Menschen aus der Bahn. Etwa jeder Vierte entwickelt in den Wochen nach einem Herzinfarkt eine Depression.

Bei ihnen ist großen Studien zufolge die Rate neuer Herzinfarkte oder Schlaganfälle teilweise doppelt so hoch wie bei Patienten ohne Depression, hat Professor Christian Otte von der Charité Berlin auf der Fortbildungsveranstaltung "Psychiatrie Update" in Köln berichtet.

Mögliche Gründe: Depressive rauchen mehr und bewegen sich weniger als Nichtdepressive - das ist bei KHK besonders schlecht. Zudem nehmen sie die verschriebenen Statine, Blutdrucksenker oder andere Herzmittel nicht regelmäßig ein.

Folge des ungesunden Lebensstils

Otte nannte eine Studie, nach der Depressive doppelt so oft wie Nichtdepressive vergessen, ihre Medikamente einzunehmen, oder diese bewusst absetzen, sogar dreimal häufiger nehmen sie ihre Medikamente unregelmäßig oder falsch dosiert ein.

Wurden die drei Faktoren Rauchen, Bewegungsmangel und schlechte Therapieadhärenz berücksichtigt, dann bedeutete die Depression kein zusätzliches Risiko mehr für Herz und Hirn.

Anders ausgedrückt: Das erhöhte Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko bei Depressiven scheint vor allem eine Folge des ungesunden Lebensstils zu sein, der mit einer Depression einhergeht.

Hauptfaktor, so das Ergebnis einer Kohortenstudie mit 6000 Erwachsenen, ist dabei offenbar der Bewegungsmangel. Die Sterberate auf zehn Jahre bezogen war in dieser Studie bei rein Depressiven nur um etwa 30 Prozent erhöht, bei körperlich Inaktiven schon um das Doppelte, und bei solchen, die depressiv und träge waren, gar um das Dreifache.

Da viele Depressive auch körperlich inaktiv sind, lässt sich der größte Teil des erhöhten Risikos über den Bewegungsmangel erklären.

Otte erinnerte daran, dass eine Depression den Gefäßen aber auch direkt schaden kann. Bei Depressiven ist die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse überaktiv und die Ausschüttung von Kortisol und Katecholaminen verstärkt.

Hohe Katecholaminwerte begünstigen myokardiale Ischämien und Arrhythmien, aktivieren die Blutgerinnung sowie Entzündungsfaktoren und verringern die Herzfrequenzvariabilität. Hohe Kortisolwerte wiederum fördern hohe Cholesterinwerte, Diabetes und Übergewicht.

Als Konsequenz, so Otte, ist eine gute antidepressive Therapie gerade bei KHK-Patienten mit Depression äußerst wichtig, so wichtig wie die KHK-Behandlung.

Darauf deuten einige Studien: In SADHART war die Herzinfarktrate bei depressiven Herzkranken um 30 Prozent und die Sterberate sogar um 61 Prozent niedriger, wenn sie den SSRI Sertralin statt Placebo bekamen.

Auch zur Bewegung animieren

In ENRICHD war die Herzinfarktrate mit SSRI um 47 Prozent und die Gesamtsterberate um 41 Prozent niedriger als mit Placebo. Gerade SSRI haben auch den Vorteil, dass sie die Thrombozytenaggregation hemmen.

In Studien senkte Sertralin die Serumspiegel von Plättchenfaktor IV deutlich. Allerdings erhöhen sie auch das Blutungsrisiko. So ist das Risiko für gastrointestinale Blutungen mit SSRI fast so hoch wie mit NSAR. Dieses Risiko verdreifacht sich bei der Kombination beider Medikamentenklassen.

Es lohnt sich jedoch, nicht nur auf Medikamente zu setzen. Gelingt es, die Patienten zu etwas mehr Bewegung zu motivieren, dann gehen nicht nur die Depressionssymptome zurück, auch Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko sinken.

Und schließlich gibt es inzwischen auch Daten, nach denen sich eine Verhaltenstherapie auf harte kardiale Endpunkte auswirkt: In der Studie SUPRIM erhielten 440 Teilnehmer nach einem kardialen Ereignis entweder nur die Standardtherapie oder zusätzlich eine kognitive Verhaltenstherapie, und zwar unabhängig davon, ob sie depressiv waren oder nicht.

Der Fokus der Therapie lag dabei auf Stressmanagement. Nach acht Jahren war die Rate kardiovaskulärer Ereignisse mit Verhaltenstherapie signifikant um 41 Prozent reduziert, die Herzinfarktrate sogar um 45 Prozent.

Quelle: www.springermedizin.de

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