Erhöhte Mortalität

Herzinfarkt möglichst nicht nach Feierabend

Patienten, die wegen eines akuten Herzinfarkts zu nachtschlafender Zeit oder am Wochenende in die Klinik eingeliefert werden, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, daran zu versterben. Die verlängerte "Door-to-balloon-time" könnte dabei eine Rolle spielen.

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Glück für ihn: Noch ist nicht Feierabend.

Glück für ihn: Noch ist nicht Feierabend.

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ROCHESTER. Der Zeitpunkt ist natürlich nie "günstig", aber manchmal trifft es sich eben besonders schlecht, einen Herzinfarkt zu erleiden. Wie Dr. Atsushi Sorita und Kollegen aus Rochester, Minnesota, in einer Metaanalyse zeigen konnten, steigt die Mortalität um fünf Prozent, wenn der Patient zur Unzeit, sprich spätabends, nachts oder am Wochenende, eingeliefert wurde.

Ob dies wirklich mit einer schlechteren Versorgung im Krankenhaus zusammenhängt, konnten die Autoren, die 36 Einzelstudien mit insgesamt 1.892.424 Patienten ausgewertet haben, nicht direkt belegen (BMJ 2014; 348: f7393).

Nach Feierabend neigen wohl viele Menschen dazu, länger zuzuwarten, bis sie sich entschließen, einen Notarzt anzurufen; dies könnte eine Ursache für das schlechtere Ergebnis im Vergleich zur Einweisung zu regulären "Geschäftszeiten" sein, mutmaßen Dr. Lauren Lapointe-Shaw und Professor Chaim M. Bell von der Universität Toronto, die die Studie im "BMJ" kommentieren (BMJ 2014; 348: f7696).

Den Patienten, die nachts in die Klinik kommen, gehe es möglicherweise auch von vornherein schlechter, so die Experten.

Eine deutlichere Sprache sprechen jedoch andere Daten aus der Metaanalyse: So verzögerte sich die Zeit zwischen "Tür und Ballon", also zwischen Einlieferung und Koronarangioplastie (PTCA), um durchschnittlich 15 Minuten für Patienten, bei denen der Herzinfarkt nachts oder am Wochenende zugeschlagen hatte.

Zur "Door-to-balloon-time" lagen den Autoren 30 Studien mit 70.534 Patienten vor. Die Ursache für diese Verzögerung lasse sich kaum auf den Patienten schieben, so Lapointe-Shaw und Bell; es handele sich wohl eher um eine Folge des Patientenmanagements in der Klinik, das bei weniger qualifiziertem Personal möglicherweise schlechter funktioniere.

Nachts und am Wochenende seien die Katheterlabore oft unterbesetzt, sowohl mit Kardiologen als auch mit ausgebildeten Assistenzkräften.

15 Minuten Verzögerung = 15 Prozent mehr Mortalität

Das Sterberisiko hatten die Autoren der ausgewerteten Studien auf unterschiedliche Zeiträume bezogen, entweder auf den Aufenthalt in der Klinik oder auf die ersten 30 Tage nach dem Ereignis. In den beiden Kategorien ergab sich kein Unterschied, das Risiko war bei Einweisung nach Feierabend jeweils um fünf Prozent (Odds Ratio 1,05) erhöht.

Das mag auf den ersten Blick wenig erscheinen, auf Bevölkerungsebene hat jedoch bereits eine solche Größenordnung erhebliche Auswirkungen: Sorita und sein Team gehen von einer Übersterblichkeit (in den USA) von 2300 Fällen in der Klinik und 3800 Fällen innerhalb eines Monats aus.

Anders ausgedrückt: Einer von 27 Todesfällen während des Klinikaufenthalts und einer von 29 Todesfällen innerhalb von 30 Tagen könnte vermieden werden, wenn das Problem mit der erhöhten Infarktsterblichkeit nach Feierabend gelöst werden könnte, schreiben die Autoren.

Vor allem gelte es, die "Door-to-balloon-time" anzugehen: "Eine Verzögerung von 30 Minuten", so Sorita und Kollegen, "ist bei STEMI-Patienten mit einem 20- bis 30-prozentigen Anstieg der Klinikmortalität assoziiert".

Dies hätten frühere Studien gezeigt. Bei einer Verzögerung von 15 Minuten, wie sie bei Einlieferung außerhalb der üblichen Dienstzeiten ermittelt wurde, müsse man daher von einer um bis zu 15 % erhöhten Mortalität dieser Patienten ausgehen.

Wer als Klinikmanager heute die Performance seiner Einrichtung bei Herzinfarktpatienten verbessern wolle, müsse sein Augenmerk auf die Zeit nach Feierabend richten, schreiben Lapointe-Shaw und Bell.

Unter den gegebenen Sparzwängen bleibt die gleichbleibend hohe Versorgungsqualität über 24 Stunden am Tag und an sieben Tagen die Woche jedoch wohl vorerst ein Fernziel. (EO)

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