Wird Apoptose gebremst, regeneriert das Nervengewebe

NEU-ISENBURG (nsi). Erstmals wird morgen der mit 60 000 Euro dotierte Paul-Ehrlich-Ludwig-Darmstaedter-Nachwuchs-Preis vergeben. Ausgezeichnet wird die in Spanien geborene, 34jährige Wissenschaftlerin Dr. Ana Martin-Villalba aus Heidelberg. Sie hat untersucht, wie nach einer primären Schädigung des ZNS sekundäre Läsionen wie die Penumbra, also die Randzone um den Hirninfarkt, entstehen - und sich vielleicht verhindern lassen.

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Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in den westlichen Ländern. Etwa 200 000 Hirninfarkte ereignen sich jährlich in Deutschland. Das therapeutische Fenster liegt bei vier bis sechs Stunden. In dieser Zeit läßt sich möglicherweise die ischämische Penumbra noch einschränken.

Primäre Läsionen von Nervengewebe lösen Folgeschäden aus, indem sie den programmierten Zelltod, die Apoptose, ankurbeln. Martin-Villalba, die zur Zeit in der Abteilung Immunogenetik des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) forscht, hat herausgefunden, über welche Signalwege die Apoptose in Gang gesetzt wird und wie durch Hemmung der Signalwege bereits geschädigtes Nervengewebe wieder regeneriert werden kann. Zunächst hat die Nachwuchspreisträgerin auf diesem Gebiet an der Universität Heidelberg gearbeitet, später am DKFZ.

Zwei Botenstoffe, nämlich der Tumornekrosefaktor (TNF) und der Fas-Ligand (CD95-Ligand) sind die Hauptakteure beim programmierten Zelltod nach zerebraler Ischämie. Die Ischämie hat Martin-Villalba experimentell bei Mäusen durch einen Verschluß der mittleren Hirnarterie bei den Mäusen ausgelöst. Daß die Botenstoffe Hauptakteure der Apoptose sind, bewies die Forscherin, indem sie den Tieren 30 Minuten nach Beginn der Okklusion Maus-Antikörper gegen TNF und CD95-Ligand spritzte.

Sowohl das Infarktvolumen als auch die Mortalität verringerten sich bei Antikörper-behandelten Mäusen deutlich im Vergleich zu unbehandelten Kontrolltieren. Martin-Villalba - damals schon im Team von Professor Peter H. Krammer am DKFZ - konnte auch zeigen, daß Mäuse, denen die Gene für TNF oder CD95-Ligand oder für beide fehlten, besser vor den Folgen einer zerebralen Ischämie geschützt waren als genetisch unveränderte Tiere.

Auch bei Wirbelsäulen-Verletzungen verschlimmert die Auslösung des programmierten Zelltods die primären Schäden, belegte das Team um Martin-Villalba. Dazu durchtrennten die Forscher Mäusen in Höhe der Brustwirbel 8/9 zu zwei Dritteln das Rückenmark und stellten fest, daß vom Zentrum der Läsion ausgehend eine über TNF und CD95-Ligand vermittelte Apoptose zum Untergang benachbarten Gewebes führte.

Werden solche querschnittgelähmten Mäuse in ein Wasserbecken gesetzt, können sie sich nur mit den Vorderbeinen paddelnd über Wasser halten. Wieder reduzierten Antikörper die experimentellen Läsionen, doch nur solche, die sich gegen den Fas-Liganden richteten. Anti-TNF-Antikörper hatten hier keine positiven Effekte.

Die Antikörpertherapie unterstützte sogar die Neuroregeneration: Drei Wochen nach der Verletzung konnten Anti-CD95-Ligand-behandelte Mäuse wieder mit den Hinterbeinen paddeln und den Schwanz über der Wasseroberfläche halten, wie es gesunde Tiere beim Schwimmen tun.

Derzeit entwickelt ein Heidelberger Unternehmen einen Antikörper, der an den CD95-Liganden bei Menschen bindet. Allein damit aber werde man die komplexen Schäden einer Querschnittlähmung beim Menschen nicht rückgängig machen können, schränkt Martin-Villalba ein. Dazu seien weitere Substanzen wie Nervenwachstumsfaktoren und intensive Physiotherapie notwendig.

Die Wissenschaftlerin erhält die Auszeichnung zusammen mit den Paul-Ehrlich-Preisträgern morgen, am 14. März in der Frankfurter Paulskirche. Der Nachwuchspreis ist für Forscher, die an einer deutschen Einrichtung herausragende Leistungen in der biomedizinischen Forschung erbracht haben. Das Preisgeld muß die Wissenschaftlerin Projekt-bezogen verwenden.

Lesen Sie dazu auch: RNA - Vom Befehlsempfänger zum Hauptakteur

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