Schlaganfallrisiko besser vorhersagen

Troponin und NT-ProBNP werden als kardiale Biomarker bei Herzinfarkt und Herzinsuffizienz genutzt. Auch bei Vorhofflimmern könnten sie womöglich hilfreich sein.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
EKG-Untersuchung bei Verdacht auf Vorhofflimmern.

EKG-Untersuchung bei Verdacht auf Vorhofflimmern.

© Klaro

UPPSALA. Zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern mittels Risikoscores werden derzeit primär klinische Parameter herangezogen. Möglicherweise lässt sich die Risikoprädiktion mithilfe kardialer Biomarker wie Troponin und NT-proBNP künftig deutlich verbessern. Eine neue Studie macht Hoffnung.

Die Leitlinien empfehlen heute bei Patienten mit Vorhofflimmern eine am Risiko ausgerichtete Antikoagulation zum Schutz vor Schlaganfall. Zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos wurde bislang vor allem der CHADS2-Score verwendet.

Er berücksichtigt als Risikokriterien fünf klinische Parameter wie Hypertonie, Alter, Diabetes und zerebrovaskuläre Ereignisse in der Vorgeschichte.

Biomarker als Quelle von prognostischer Information

Allerdings ist dieser Score ein relativ grobes Werkzeug, wenn es um die präzise Unterscheidung geht, welcher Patient mit Vorhofflimmern künftig einen Schlaganfall erleiden wird und welcher nicht.

 Möglicherweise lässt sich die individuelle Risikovoraussage weiter verbessern, wenn zusätzlich zu klinischen Parametern auch kardiale Biomarker wie Troponin oder NT-pro-BNP als Quelle für prognostische Informationen genutzt werden.

Bei Herzinsuffizienz, aber auch bei akutem Koronarsyndrom oder stabiler KHK hat man damit in Studien gute Erfahrungen gemacht. Warum nicht auch bei Vorhofflimmern?

Eine internationale Forschergruppe um Dr. Ziad Hijazi aus Uppsala ist dieser Frage jetzt in einer Analyse von Daten der RE-LY-Studie nachgegangen (Circulation 2012, online 28. Februar).

In dieser Studie ist bekanntlich die klinische Überlegenheit des Thrombinhemmers Dabigatran in der Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern im Vergleich zur Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten (Warfarin) dokumentiert worden.

RE-LY-Substudie mit fast 6.200 Teilnehmern

In die jetzt veröffentlichte, prospektiv angelegte RE-LY-Substudie waren 6.189 der insgesamt mehr als 18.100 Studienteilnehmer eingebunden. Bei ihnen sind zu Studienbeginn die kardialen Biomarker Troponin I und NT-proBNP im Blut gemessen worden.

Je nach Höhe der Markerspiegel sind die Patienten jeweils in vier Gruppen (Quartile) eingeteilt worden. Dann wurde analysiert, in welcher Beziehung die initialen Troponin-I- und NT-proBNP-Spiegel zu den im Studienzeitraum (im Median 2,2 Jahre) aufgetretenen Schlaganfällen und Todesfällen standen.

Beide Biomarker stellten sich bei dieser Analyse als unabhängige Risikoprädiktoren heraus, die in signifikanter Beziehung zur Schlaganfallrate und zur Rate vaskulärer Todesfälle standen. Beide verbesserten dank additiver prognostischer Information die Risikovoraussage.

So hatten etwa Patienten mit den relativ höchsten NT-proBNP-Spiegeln (oberste Quartile) im Vergleich zu jenen mit den niedrigsten Spiegeln (unterste Quartile) ein 2,5-fach höheres Schlaganfallrisiko (Rate: 2,3 versus 0,9 Prozent/Jahr). Auch hohe und niedrige Troponin-I-Spiegeln waren mit signifikant unterschiedlichen Schlaganfallraten assoziiert (2,0 versus 0,8 Prozent/Jahr).

Hohe Ereignisrate bei erhöhtem Troponin-Spiegel

Das gleiche Muster bei der vaskulären Mortalität: Waren etwa die Troponin-I-Spiegel hoch, betrug die Mortalitätsrate 6,56 Prozent pro Jahr, waren sie niedrig oder unterhalb der Nachweisgrenze, lag die Mortalitätsrate bei nur 1,04 Prozent pro Jahr.

Beide Biomarker korrigierten dabei zum Teil die auf Basis des CHADS2-Scores vorgenommen Risikoabschätzung.

So hatten Patienten, bei denen der CHADS2-Score (0-1 Punkte) ein sehr niedriges Risiko signalisierte, im Falle erhöhter Troponin-I- und/oder NT-proBNP-Spiegel in Wirklichkeit ein Risiko, das dem von Patienten entsprach, die beim CHADS2-Score auf zwei und mehr Risikopunkte kamen, aber keine erhöhten Markerspiegel aufwiesen.

Welcher Mechanismus steckt hinter dem prognostischen Stellenwert beider kardialen Biomarker bei Vorhofflimmern? Im Falle von Troponin - bekanntlich ein Marker für die Nekrose von Herzmuskelzellen - fällt die Erklärung besonders schwer. Hier gibt es derzeit nur Spekulationen.

Etwas leichter ist es im Falle des natriuretischen Peptids NT-proBNP, dessen Freisetzung als Reaktion von Myozyten auf erhöhte kardiale Wandspannung angesehen wird. Gezeigt werden konnte, dass die Spiegel natriuretischer Peptide bei Patienten mit Vorhofflimmern nach Rückkehr des Sinusrhythmus rasch abfallen.

Nach Ansicht der Studienautoren könnte das dafür sprechen, dass das zirkulierende NT-pro-BNP in diesem Fall aus dem Vorhof stammt. Erhöhte NT-proBNP-Spiegel seien möglicherweise Ausdruck einer atrialen Dysfunktion, die wiederum die Bildung von atrialen Thromben begünstigt..

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