Duale Plättchenhemmung nach Schlaganfall

Erfolgsformel lautet kurz und knackig

Totgesagte leben länger: Die duale Plättchenhemmung nach Schlaganfall und TIA bringt doch etwas - nämlich dann, wenn sie kurz und intensiv erfolgt. Das zeigt eine neue Studie aus Peking.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Eine rasche und kurzfristige duale Plättchenhemmung senkt die Schlaganfallrate, ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen.

Eine rasche und kurzfristige duale Plättchenhemmung senkt die Schlaganfallrate, ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen.

© Sebastian Schreiter / Springer Verlag

PEKING. In Leitlinien wird die dauerhafte Sekundärprävention nach ischämischem Insult oder TIA mit ASS und Clopidogrel nicht empfohlen, aber die Kombitherapie kann dann nützen, wenn sie schnell und für wenige Wochen einsetzt.

Das haben Forscher um Yongjun Wang von der Tiantan-Klinik in Peking in einer Studie mit 5200 Patienten herausgefunden (NEJM 2013; 369: 11).

Die Patienten hatten entweder einen Insult ohne gravierende Behinderungen bei der Klinikaufnahme oder eine TIA plus Risikofaktoren, die auf ein moderates bis hohes Risiko für einen künftigen Schlaganfall schließen ließen.

Die Plättchenhemmung musste binnen 24 Stunden nach Symptombeginn erfolgen. Die Hälfte der Patienten bekam einen Bolus von 300 mg Clopidogrel, gefolgt von 75 mg/d in den folgenden drei Monaten.

Zusätzlich erhielten sie 21 Tage lang ASS (ebenfalls 75 mg/d). Die zweite Gruppe wurde mit ASS plus Placebo behandelt.

Kombitherapie mit deutlichem Vorteil

Nach drei Monaten hatten in der Gruppe mit ASS-Monotherapie 11,7 Prozent der Patienten einen Schlaganfall erlitten, nur 8,2 Prozent waren es in der Gruppe mit Kombitherapie.

Insgesamt müssen nach diesen Daten 29 Patienten mit der Kombitherapie behandelt werden, um einen Schlaganfall zu vermeiden.

Einen deutlichen Vorteil gab es auch beim sekundären Endpunkt, der Schlaganfall, Herzinfarkt und kardiovaskulären Tod berücksichtigte (11,9 versus 8,4 Prozent).

Mit der Kombitherapie traten schwere vaskuläre Ereignisse folglich um etwa ein Drittel seltener auf als mit der ASS-Monotherapie.

Keine Unterschiede gab es hingegen bei der Rate der hämorrhagischen Insulte: Sie betrug lediglich 0,3 Prozent. Andere schwere Blutungen traten ebenfalls in beiden Gruppen gleich häufig auf.

Schlaganfallrate gesenkt

Nach Ansicht der Autoren kann eine rasche und kurzfristig duale Plättchenhemmung die Schlaganfallrate signifikant senken, ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen.

So ist vor allem in den ersten Tagen nach einem zerebrovaskulären Ereignis die Schlaganfallgefahr sehr hoch, sodass sich hier die intensive Plättchenhemmung am meisten lohnt. Später kann auf den zweiten Plättchenhemmer verzichtet werden.

Ein Manko ist, dass die Studienbedingungen - nur leichter Infarkt sowie Therapiebeginn innerhalb von 24 Stunden - in der Praxis nur auf einen Bruchteil der Schlaganfallpatienten zutreffen.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 07.07.201321:33 Uhr

Plansoll übererfüllt?

Zunächst das Wichtigste: Die CHANCE-Studie ("Clopidogrel in High-Risk Patients with Acute Nondisabling Cerebrovascular Events")

ist im Original als pdf-Datei frei unter http://www.medsci.cn/webeditor/uploadfile/201306/20130630102911598.pdf

zu lesen. Fragwürdig bleibt, warum aus einer Gesamtpopulation von 41.561 Patienten m i t Schlaganfall oder TIA zwischen Okt. 2009 und Juli 2012 gescreent, und nur 5.170 Patienten rekrutiert wurden. 2.584 kamen randomisiert in die Clopidogrel-Aspirin-Gruppe und 2.586 in die Aspirin-Gruppe. ["Between October 2009 and July 2012, a total of 41,561 patients with stroke or TIA were screened at 114 clinical sites; 5170 patients were enrolled, with 2584 randomly assigned to the clopidogrel–aspirin group and 2586 to the aspirin group."]

Unvoreingenommene Leser/-innen fragen sich, was mit den übrigen 36.391 Schlaganfall/TIA-Patienten bezüglich Diagnose, Therapie, Verlauf und Outcome geschah? Es wurden auch betont niedrigschwellige Ereignisse gesucht und hämorrhagische Dispositionen und Komplikationen aussortiert. Seit Studienbeginn im Oktober 2009 wurde das Auftreten eines n e u e n ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfall-Ereignis jeweils nur 90 Tage nachbeobachtet ["The primary efficacy outcome was a new stroke event (ischemic or hemorrhagic) at 90 days"].

Da stellt sich die Frage, wie diese Studie bis 90 Tage n a c h Rekrutierungsende im Juli 2012, also von Okt. 2009 bis Oktober 2012, verblindet bleiben konnte? Die absolute Risikoreduktion lag bei 3,5 Prozent - deswegen müssen 29 Patienten mit Kombitherapie behandelt werden, um e i n e n Schlaganfall zu verhindern. Der Studien-drop-out lag übrigens bei null Prozent Studienabbrecher.

Die Autoren hatten mit 90 Prozent Vorhersage-Wahrscheinlichkeit eine 22-prozentige relative Risikoreduktion in der Clopidogrel-Aspirin Gruppe berechnet. ["We calculated that a sample of 5100 patients would provide 90% power to detect a relative risk reduction of 22% in the clopidogrel–aspirin group,"] Das wäre eine RRR von 11,7 Prozent auf 9,13 Prozent gewesen.

Insofern wurde das Plansoll mit einer Verringerung auf 8,2 Prozent übererfüllt. Allerdings wissen wir nichts über das Outcome j e n s e i t s von 90 Tagen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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