Schlaganfall

Magnete für mehr Zeit zur Lyse

Magnetfelder könnten in Zukunft schon präklinisch bei einem ischämischen Schlaganfall helfen - indem sie die Zeit zur Lyse verlängern. Davon ist zumindest ein US-Start-up überzeugt. Bis das Gerät einsatztauglich ist, müssen aber noch manche Fragen beantwortet werden.

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RTW: Bald schon mit Magnetspulen für Insulte an Bord?

RTW: Bald schon mit Magnetspulen für Insulte an Bord?

© Arno Burgi / dpa

HANNOVER. Schon im Rettungswagen setzt ein Sanitäter bei Verdacht auf einen Schlaganfall die Magnetspulen an den Kopf. Im günstigsten Fall wird dadurch die Perfusion bei einem ischämischen Infarkt verbessert und das Zeitfenster für eine Lyse erweitert, im ungünstigsten Fall, bei einem hämorrhagischen Infarkt, wird die Blutung zumindest nicht verstärkt.

Mit dem Stimulator soll Rettungskräften bereits vor der Klinikeinweisung eine Methode an die Hand gegeben werden, Patienten mit Verdacht auf einen Schlaganfall zu behandeln.

Die Therapie würde also zu einem Zeitpunkt beginnen, an dem noch nicht klar ist, ob es sich um einen ischämischen oder hämorrhagischen Infarkt handelt. Stimuliert wird der Facialisnerv bilateral am Schädelaustritt mit einem Gerät, das an einen Kopfhörer erinnert.

Noch ist die Methode, die Judith Biermann auf der Arbeitstagung Neurologische Intensivmedizin (ANIM) in Hannover vorgestellt hat, Zukunftsmusik. Doch die Medizintechnikerin vom kalifornischen Start-up-Unternehmen Nervive hofft schon auf Daten, nach denen die frühe Magnetstimulation bei einem frischen ischämischen Schlaganfall tatsächlich die Prognose der Patienten verbessert. 

Immerhin zeigte das ungewöhnliche Verfahren im Tiermodell eine verblüffende Wirkung. Anästhesierten Hunden und Schafen wurden zunächst autologe Thromben in die Carotis interna injiziert, um über einen Verschluss der mittleren Hirnschlagader einen ischämischen Infarkt auszulösen.

Ein Teil der Tiere erhielt die Facialis-Stimulation (fünf Minuten bei zehn Hertz), die anderen nur eine Scheinstimulation. Der Blutfluss wurde anschließend unter anderem mittels Perfusions-MRT etwa 30 bis 90 Minuten nach dem Infarkt gemessen.

Wirkmechanismus noch unklar

Bei Tieren mit Scheinstimulation nahm der Blutfluss in der betroffenen Infarkt-Hemisphäre im Schnitt um etwa ein Drittel ab, bei den mit Magnetpulsen stimulierten Tieren erreichte er dagegen ein Niveau von über 90 Prozent des Blutflusses auf der nicht betroffenen Seite.

Nach 90 Minuten war bei den Tieren mit Scheinstimulation 28 Prozent des Hirnvolumens vom Infarkt betroffen (Perfusion unter acht Millilitern pro 100 Gramm und Minute), bei den Tieren mit Facialis-Stimulation lag dieser Anteil lediglich bei etwa zwölf Prozent.

Die Penumbra war dagegen in beiden Gruppen mit 14 Prozent etwa gleich groß. Mit der Methode lasse sich offensichtlich in der Schlaganfall-Akutphase viel Hirngewebe retten, so Biermann. 

Weniger günstig wäre es jedoch, wenn die Stimulation eine intrakranielle Blutung verstärken würde. Dies sei aber nicht der Fall. Ebenfalls im Tiermodell hatten die Forscher um Biermann zunächst stabile hämorrhagische Infarkte induziert. Durch die Facialis-Stimulation hätten sich diese aber nicht vergrößert.

Erste Versuche zur Sicherheit hat es inzwischen auch bei gesunden Menschen gegeben. Bei einer magnetischen Flussdichte von 1,5 Tesla und einer Stimulationsdauer von zweieinhalb Minuten sei es zu keiner Änderung der Vitalzeichen, Kopfweh oder Schwindel gekommen.

Lediglich leichte Gesichtszuckungen und ein metallisches Geschmacksempfinden bei den Testpersonen wurden beobachtet, sagte Biermann. Der zerebrale Blutfluss ließ sich in solchen ersten Tests um etwa 20 Prozent steigern.

Noch sind aber viele Fragen zu der Methode offen. So ist die Wirkweise noch weitgehend unklar, Biermann konnte auch nicht erläutern, weshalb ausgerechnet die Stimulation des Nervus facialis die besten Ergebnisse zu liefern scheint. (mut)

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