Schlaganfall

Hemikraniektomie bringt bei Älteren einen Vorteil

Bei Patienten über 60 rettet die Entfernung eines Teils der Schädeldecke Leben, bewahrt aber nicht vor schwerer Behinderung. Das hat eine Studie von dreizehn deutschen Schlaganfallzentren ergeben.

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HEIDELBERG. Patienten, die älter als 60 Jahre sind und einen großen Schlaganfall durch Verschluss der mittleren Hirnarterie erlitten haben, profitieren von einer Entfernung der Schädeldecke über dem betroffenen Hirngewebe. Durch den Eingriff wird den ersten 48 Stunden nach dem Schlaganfall das Gehirn von erhöhtem Druck entlastet.

Die Überlebenschancen dieser Patienten verdoppeln sich, wenn sie operiert werden. Allerdings überleben die operierten Patienten oft mit stärkeren Behinderungen, während Patienten ohne Operation in der Regel früh versterben.

Herausgestellt hat sich das in einer Studie von dreizehn deutschen Schlaganfallzentren unter Federführung der Neurologischen und der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg (N Engl J Med. 2014; 370 (12): 1-9).

Erstmals sei damit auch bei älteren Patienten belegt, dass die Hemikraniektomie Leben retten kann, wird Professor Werner Hacke, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg, in einer Mitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg zitiert.

Für Patienten unter 60 Jahren, so eine Heidelberger Studie vor fünf Jahren, fällt das Ergebnis des Eingriffs günstiger aus (Lancet Neurol. 2007; 6 (3): 215-22).

"Bei den jüngeren Patienten wurden die Überlebenschancen durch die Operation verdreifacht. Außerdem blieben selten schwere Behinderungen", so Professor Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg, in der Mitteilung.

"Der geringere Behandlungseffekt in der aktuellen Studie überrascht uns nicht, denn wir wissen: Je älter ein Schlaganfall-Patient ist, desto schlechter ist seine Prognose."

Die Prognose bei Patienten mit Verschluss der mittleren Hirnarterie ist sehr schlecht: Bei nahezu 80 Prozent führt sie ohne Operation in wenigen Tagen zum Tode. Durch das Hirnödem wird Gehirngewebe zerstört.

Nach der Entlastungsoperation wird das freigelegte Gehirn mit Hirnhaut bedeckt, nach Rückgang der Schwellung die Schädeldecke wieder eingesetzt. Bei Patienten unter 60 Jahren gehört die Op zum Standard in vielen Schlaganfallzentren. Ihre Sterblichkeit wird dadurch von über 70 Prozent auf etwa 20 Prozent reduziert.

Die aktuelle Studie hat Bedeutung für die Therapie älterer Schlaganfallpatienten. Die Analyse schließt 112 Patienten zwischen 61 und 82 Jahren nach schwerem Schlaganfall ein, die entweder nur intensivmedizinisch behandelt wurden oder sich einer Hemikranektomie innerhalb von 48 Stunden nach dem Infarkt unterzogen.

Die Studie wurde bereits nach dem Einschluss von 83 Patienten aufgrund der hohen Überlegenheit der operativen Behandlung gestoppt. Die Sterblichkeit wurde durch die Hemikraniektomie von 70 auf 33 Prozent vermindert. Allerdings ist der Anteil von sehr schwerbehinderten Patienten in der operierten Gruppe bei nahezu 30 Prozent.

"Ein Überleben mit schwerer Behinderung wird besonders in höherem Lebensalter von vielen Patienten nicht akzeptiert", wie Unterberg berichtete. "Daher muss gerade bei älteren Patienten mit den Betroffenen und ihren Angehörigen im Einzelfall gut abgewogen werden, ob diese Behandlung gewünscht wird", empfahl Hacke.

Neurochirurgen und Neurologen sollten daher gemeinsam mit Patienten und ihren Angehörigen eine solche Therapie besprechen. Vielleicht gelingt es in weiteren Studien, herauszufinden, welche älteren Patienten besonders von der Hemikraniektomie profitieren. (eb)

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