Task-Force Thrombose-Prophylaxe

Ärzte, Wissenschaftler, Juristen und Gesundheitsökonomen haben sich zusammengetan. Sie arbeiten als Expertengruppe "Thromboseprophylaxe".

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KÖLN (eb). Mehr Klarheit über eine effektive Thromboseprophylaxe zu schaffen ist das Ziel der Expertengruppe "Thromboseprophylaxe", die jetzt beim Interdisziplinären Wundcongress in Köln gegründet worden ist.

Hintergrund seien die hohe Thrombose-Inzidenz (0,2 Prozent der Bevölkerung) und bis zu 40.000 Todesfälle pro Jahr, teilt das Medical Data Institute (MDI) zur Gründung der Expertengruppe mit.

Das Expertenteam um Professor Christian Waydhas vom Uniklinikum Essen, zu dem außer Ärzten und Wissenschaftlern auch Juristen und Gesundheitsökonomen gehören, wird zum Beispiel die Risiko/Nutzenabwägung der therapeutischen Maßnahmen näher differenzieren und klare Empfehlungen aussprechen.

Der derzeitige Stand der Wissenschaft lasse viele Fragen offen, die aktuelle S3-Leitlinie sei nicht auf alle Patienten anwendbar, wird Waydhas, der die S3-Leitlinie mitentwickelt hat, in der Mitteilung zitiert.

Strümpfe gestrichen - trotz Leitlinie

"Bei etwa 20 Prozent der Patienten liegen spezielle Umstände vor, die in den Leitlinienempfehlungen nicht berücksichtigt sind und eine Anpassung an die individuellen Gegebenheiten erfordern. Hier gibt es nicht den einzigen richtigen Weg."

Ein Problem sei, dass Thrombosen oft unerkannt blieben oder Patienten nicht leitliniengerecht behandelt würden.

Aus Kostengründen hätten zum Beispiel viele Kliniken Thromboseprophylaxestrümpfe komplett aus der postoperativen Therapie gestrichen - obwohl diese in der S3-Leitlinie ausdrücklich nach bestimmten Eingriffen wie etwa im Bauch- und Beckenbereich oder nach gefäßchirurgischen Eingriffen empfohlen werden, so das MDI.

Die S3-Leitlinie zur Thromboseprophylaxe sei zwar zunächst nur eine "Empfehlung", könne aber im Falle einer Patientenklage verbindlichen Charakter erlangen, zitiert das MDI den auf medizinisches Haftungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt Professor Volker Großkopf.

Vorsicht vor Verletzung der Sorgfaltspflicht

Laut Großkopf müsse die Klinik im Falle eines Falles nachweisen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht gegenüber dem Patienten gewahrt und nach dem aktuellen Stand der pflegerischen und medizinischen Stand der Wissenschaft und Forschung gehandelt hat.

"Wenn die Klinik bestimmte Empfehlungen der Leitlinie, die den aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung repräsentiert, aus Prinzip ignoriert, kann dies zu einer schuldhaften Sorgfaltspflichtverletzung führen." Andererseits gelte auch die Vorgabe, maximal wirtschaftlich zu handeln, räumte Großkopf ein.

"Die Medizin steht auch und gerade bei der Thromboseprophylaxe im Spannungsfeld zwischen dem Wirtschaftlichkeitsgebot und ihrer Sorgfaltspflicht - ein Bogen, der nicht immer leicht zu schließen ist", so Großkopf.

Deshalb rät der Jurist, immer dann, wenn von den Behandlungsvorgaben der S3-Leitlinie aus patientenspezifischen Gründen abgewichen wird, dies entsprechend zu begründen.

Weil hier unter Ärzten und Kliniken noch viel Unsicherheit existiert, will die Expertengruppe besser über die rechtlichen "Grauzonen" aufklären.

Thrombose, eine Volkskrankheit

Darüber hinaus will die Expertengruppe auch auf die gesundheitsökonomische Relevanz der "Volkskrankheit" Thrombose aufmerksam machen.

Rund fünf Prozent der Bevölkerung sind von einem postthrombotischen Syndrom betroffen. In der Regel sind diese Menschen zwei Monate im Jahr arbeitsunfähig und werden acht Jahre früher berentet, sechs bis acht Prozent entwickeln ein Ulcus cruris.

Gesundheitsökonom Professor Wilfried von Eiff rechnet vor, dass allein die Behandlung der Patienten mit postthrombotischen Symptom das Gesundheitssystem jedes Jahr 1,6 Milliarden Euro kostet.

"Die gesundheitsökonomischen Belastungen sind dramatisch und zeigen, dass der Weg nur über eine effektivere Thromboseprophylaxe führt", zitiert das MDI den Gesundheitsökonomen.

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