Dünne Studienlage

Nutzen von Kompressionsstrümpfen bleibt zweifelhaft

Obwohl diverse Studien Thrombosestrümpfen immer wieder eine gute Wirksamkeit bescheinigt haben, bleiben Zweifel an ihrem Nutzen: Die meisten Daten sind nämlich schon uralt.

Veröffentlicht:

Professor Sebastian Schellong vom Städtischen Klinikum Dresden übte beim Internistenkongress in Mannheim scharfe Kritik an einer kürzlich publizierten Cochrane-Analyse zu graduierten Kompressionsstrümpfen in der Thromboseprophylaxe.

Die Metaanalyse hatte 19 randomisierte Studien berücksichtigt. Errechnet wurde eine durchschnittliche Senkung des Risikos für eine tiefe Venenthrombose (TVT) auf ein Drittel.

Die Schlussfolgerung war, dass die Strümpfe extrem wirksam seien und daher verwendet werden sollten (Cochrane Database of Systematic Reviews 2014; 12: CD001484). Schellong betonte allerdings, dass die Studien fast alle aus den 70er und 80er Jahren stammten.

 Nur in einer einzigen Studie war die Hintergrundtherapie der derzeitige Standard, nämlich ein niedermolekulares Heparin (NMH).

Aktuelle Studie nicht berücksichtigt

Insgesamt fanden nur Daten von 1681 Patienten Eingang in die Analyse. Die relativ aktuelle CLOTS-Studie mit mehreren tausend Patienten, die keinen Nutzen der Strümpfe gezeigt hatte, wurde mit Verweis auf pathophysiologische Erwägungen nicht berücksichtigt.

In Summe sei diese Metaanalyse daher "methodisch hochwertige Vergangenheitsbewältigung", aber keine Hilfe bei der eigentlichen Frage, nämlich ob Strümpfe in der Thromboseprophylaxe zusätzlich zur Therapie mit einem niedermolekularen Heparin etwas bringen oder nicht.

Diese Fragestellung wurde fast zeitgleich in einer weiteren Metaanalyse untersucht, die Schellong methodisch besser bewertet (Br J Surg 2014; 101:1053-62).

In dieser Metaanalyse wurde für Kompressionsstrümpfe im Vergleich zu medikamentöser Therapie alleine eine Reduktion des Risikos für eine tiefe Venenthrombose um rund 49 Prozent beschrieben.

Praktisch keine Evidenz

Allerdings zeigte eine spezielle statistische Analyse, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Publikationsbias vorliegt. "Auch das hilft also nicht weiter", kommentierte der Experte aus Dresden.

Insgesamt gebe es in der Inneren Medizin derzeit praktisch keine Evidenz für einen Einsatz von Thrombosestrümpfen zusätzlich zur medikamentösen Prophylaxe.

Bei Kontraindikationen für die Medikamente würde Schellong zumindest im stationären Setting eher die intermittierende pneumatische Kompression (IPC) empfehlen, da deren Nutzen besser belegt sei.

In Orthopädie und Chirurgie könnten Strümpfe bei hohem Thromboserisiko zusätzlich angelegt werden, so Schellong. Ein Muss sei das aber auch nicht. (gvg)

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 07.05.201523:24 Uhr

Wer die Wirksamkeit von Kompressionsstrümpfen ernsthaft infrage stellt, darf sich wirklich nicht "Experte" nennen.

Er muss sich viel mehr fragen, ob er persönlich schon mal solche angelegt hat.
Hierzu gehören auch minimale pathophysiologische Kenntnisse wie der Venendruck und die Flussgeschwindigkeit. Beides kann durch Gerinnungshemmer überhaupt nicht beeinflusst werden.
Leicht demonstrierbar durch Ultraschall oder gar den gravierenden Unterschied einer Venographie mit und ohne Kompression.
Hier sollten Internisten ausnahmsweise mal von Chirurgen lernen, die insuffiziente Venen nicht nur aus kosmetischen Gründen sogar operativ entfernen, kann ja sein, dass das einem eingefleischten Pharmakologen weh tut.

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