Der große Ärger mit dem "Gummistrumpf"

Kompressionsstrümpfe helfen den Menschen, die geschwollene Beine oder Krampfadern haben. Doch nur wenige Patienten tragen die „Gummistrümpfe“ auch wirklich – aus vielerlei Gründen. Oft bedarf es aber nicht viel, um die Compliance zu erhöhen.

Von Ursula Armstrong Veröffentlicht:
Hilfreicher Alltagstrick: Über eine Feinstrumpfhose lässt sich der Kompressionsstrumpf leichter anziehen.

Hilfreicher Alltagstrick: Über eine Feinstrumpfhose lässt sich der Kompressionsstrumpf leichter anziehen.

© Niehoff / imago

Jede fünfte Frau und jeder sechste Mann in Deutschland haben eine chronische Veneninsuffizienz. Mit diesen Worten zitiert die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie (DGP) in ihren Leitlinien zur Krampfader erkrankung das Ergebnis von epidemiologischen Studien.

Schätzungen zufolge sollen insgesamt sogar 32 Millionen Menschen in Deutschland an Venenschwäche leiden.

Bei fortgeschrittenem Venenleiden, also etwa bei geschwollenen Beinen oder Krampfadern, stehen Kompressionsstrümpfe mit an erster Stelle der Behandlung.

Sie gelten laut DGP-Leitlinien als Basistherapie und sind geeignet, die venöse Hämodynamik am erkrankten Bein zu verbessern und so Folgeerkrankungen wie Gefäßverschlüssen, Thrombose oder Ulzera vorzubeugen. Vorausgesetzt, die Strümpfe werden konsequent täglich getragen.

Die Strümpfe kratzen, jucken, kneifen ...

Omas Gummistrümpfe? Das war gestern!

Rot, grün oder rosé: Die Farbpalette von Kompressionsstrümpfen kennt keine Grenzen.

© Karina Hessland / imago

Ein großes Problem bei der Kompressionstherapie ist der noch immer schlechte Ruf, der Kompressionsstrümpfen anhaftet. "Omas Gummistrümpfe" werden sie vielfach genannt.

Vor allem Frauen und junge Menschen sträuben sich gegen Kompressionsstrümpfe, weil sie vermeintlich total unmodisch und unschön aussehen. Männer halten sie oft für unmännlich und peinlich.

Ein Argument, das heute nicht mehr zieht. Denn moderne Kompressionsstrümpfe gibt es in vielen modischen Farben. Und notfalls kann man über eine hautfarbene Kompressionsstrumpfhose eine glänzende oder farbige Feinstrumpfhose tragen.

Für Männer gibt es ebenfalls spezielle Kompressionsstrümpfe, die von normalen Business-Socken längst nicht mehr zu unterscheiden sind.

Man sieht es den modernen Kompressionsstrümpfen nicht an, dass sie therapeutisch wirken. Außerdem sind die Gewebe und Gestricke heutzutage hautfreundlich und angenehm zu tragen.

Doch hier liegt der Hase im Pfeffer. Die Strümpfe kratzen, jucken, rutschen, schnüren ein, sind zu heiß, zu eng, zu unelegant, zu peinlich und einfach rundum unbequem - und so kommen die teuren Strümpfe häufig schnell wieder in den Schrank.

Nur etwa jeder dritte Patient bewertet die Kompressionstherapie als angenehm, ist das Ergebnis einer Befragung des Venenzentrums der Universität Bochum (Int Angiol. 2009; 28(5): 385-93).

Die Phlebologen um Dr. Stefanie Reich-Schupke und Professor Markus Stücker hatten von 110 Patienten, die seit mindestens zwei Wochen Kompressionsstrümpfe trugen, wissen wollen, wie sie damit zurechtkamen.

Das ist zwar nur eine kleine Zahl von Patienten, doch das Ergebnis dürfte der Realität entsprechen. Es zeigte sich, dass etwa 67 Prozent der Männer und 69 Prozent der Frauen die empfohlene Therapie nicht regelmäßig einhielten und die Strümpfe eben nicht täglich trugen.

Ein Problem der Compliance, das nicht sein muss. Denn das Phlebologen-Team hat bei den Patienten auch genau nachgefragt, welche Probleme sie mit den Strümpfen hatten. Und siehe da, es waren immer ganz konkrete Probleme, gegen die es durchaus Abhilfe gibt.

Praktische Tipps halten Patienten bei der Stange

Es lohnt sich also, im Patienten gespräch einmal genau zu eruieren, wo das Problem jeweils liegt.

Denn die Compliance kann durch praktische Hilfen oder kleine Alltagstipps, wie sie etwa in "medi für you med", einem Magazin für die Arztpraxis der Firma medi in Bayreuth, gegeben werden, häufig deutlich und schnell gesteigert werden.

59 Prozent der Patienten etwa klagten vor allem über Trockenheit der Haut und 33 Prozent über Juckreiz.

Kompressionsstrümpfe können wirklich eine Art Peelingeffekt haben: Die Haut trocknet aus, schuppt sich, juckt und ist gerötet.

Besonders schlimm und für viele Patienten sehr unangenehm ist das bei heißem Wetter.

Dazu kommt, dass Venenpatienten generell eine besonders empfindliche Haut haben.

Hautpflege ist ein wichtiger Baustein bei Venenleiden

Denn durch die venöse Insuffizienz ist auch das natürliche Gleichgewicht der Haut gestört. Sie kann nicht mehr so viel Feuchtigkeit speichern und wird dünn und trocken.

Hautpflege, vor allem auch der Füße, ist deshalb ein wichtiger Baustein der konservativen Therapie bei Venenleiden.

Im Fachhandel gibt es dazu Cremes zum Kühlen und Erfrischen, spezielle Produkte für die Hautpflege nach dem Ausziehen, Fußpflegeserien, die auf die Kompressionstherapie abgestimmt sind, und auch Erfrischungssprays, die man direkt auf die Strümpfe sprühen kann und die sofort Kühlung bringen.

Ein weiteres häufiges Problem ist der schlechte Sitz von Kompressionsstrümpfen. So trugen 29 Prozent der befragten Patienten die Strümpfe nur deshalb so unregelmäßig, weil sie immer verrutschen, und 24 Prozent klagten vor allem über Einschnürungen.

Damit sie richtig wirken, müssen Kompressionsstrümpfe natürlich perfekt sitzen. Strümpfe, die verrutschen oder einschnüren, bringen nichts.

Nach dem Aufstehen passen die Strümpfe besser

Dann muss neu vermessen und müssen andere Strümpfe bestellt werden. Kompressionsstrümpfe müssen angepasst werden, wenn die Beine nicht geschwollen sind, also möglichst morgens. Statt der meist beliebteren Kniestrümpfe könnten Strumpfhosen eine bessere Option sein. Denn Kniestrümpfe können unangenehm in der Kniekehle einschneiden.

Anderen Venenpatienten, etwa alten oder adipösen, fällt es schwer, Kompressionsstrümpfe, vor allem der höheren Klassen, anzuziehen. Diesen Patienten können Anziehhilfen verschrieben werden.

Oft helfen aber auch schon einfache Ratschläge. So ist es wichtig, die Strümpfe so bald wie möglich nach dem Aufstehen oder eventuell noch im Bett anzuziehen, bevor die Beine anschwellen. Notfalls kann man sogar mit den Strümpfen unter die Dusche gehen (im Sommer ist das angenehm). Gewöhnliche Haushaltshandschuhe mit Noppen helfen beim Anziehen.

Möglich ist auch, zuerst eine Feinstrumpfhose anzuziehen. Denn darüber gleiten die Kompressionsstrümpfe gut.

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