Hip-Hop mit 126 Dezibel

Hörschäden in drei Minuten

Kopfhörer im Ohr und dann voll aufdrehen - damit überlastet man das Hörorgan in wenigen Minuten. Oft wird aber nur in lauter Umgebung laut Musik gehört. Dämpft der Kopfhörer den Umgebungsschall, sind Hörschäden weniger wahrscheinlich.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Dröhni? Gefährlich für das Ohr schon in wenigen Minuten.

Dröhni? Gefährlich für das Ohr schon in wenigen Minuten.

© Bernd.Walter / fotolia.com

SANTIAGO. Die Situation kennt vermutlich jeder: Da sitzt dieser Jugendliche in der Straßenbahn, Kopfhörer im Ohr und den MP-3-Player auf voller Leistung, sodass man zwei Reihen hinter ihm noch mitsingen könnte.

Chilenische HNO-Ärzte zeigen nun zumindest etwas Verständnis für dieses Verhalten: Wenn die Umgebung laut ist, dann wird der MP-3-Player so laut gedreht, bis es wieder ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis gibt, die Musik also im Vergleich zum Umgebungslärm klar hervorsticht.

Der Umgebungslärm kann in öffentlichen Verkehrsmitteln jedoch schon mal Spitzenwerte von 90 Dezibel (dB) erreichen, berichten Dr. Hayo Breinbauer und Mitarbeiter von der HNO-Klinik der Universität in Santiago de Chile.

Entsprechend weit wird am Lautstärkeregler gedreht (Laryngoscope 2012, online 11. Oktober). Allerdings: Gesund ist die Dauerbeschallung jenseits der 90 dB nicht.

Diverse Gerätekombis geprüft

Das Team von Breinbauer hat in einer Studie mit diversen tragbaren MP3-Geräten und Kopfhörern untersucht, welche Lärmbelastungen mit den jeweiligen Gerätekombinationen möglich sind und welche Schalldruckpegel in bestimmten Situationen von Testpersonen tatsächlich bevorzugt wurden.

Zunächst bestimmten sie den maximal erreichbaren Schalldruckpegel von iPod, unterschiedlichen MP3-Playern und Handys mit MP3-Funktion.

Angeschlossen wurden dabei Im-Ohr-Kopfhörer, die in den Gehörgang eingeführt werden, Ohrhörer (Earbuds), die man in die Ohrmuschel setzt, sowie die klassischen Muschelkopfhörer, die das Ohr samt Muschel bedecken. Gespielt wurden dabei unterschiedliche Musikstile von Klassik bis Rock.

Der höchste Schalldruckpegel gelang den Forschern mit einer Kombination von iPod, intra-auralem Hörer und einem Hip-Hop-Stück: 126,5 Dezibel. Damit überschreitet man die maximal tolerierbare tägliche Lärmdosis - definiert als 85 dB über eine Zeit von 8 Stunden - bereits nach 2,5 Minuten.

Beim Earbud waren es immerhin knapp 5 Minuten, und mit einem Muschelkopfhörer konnte man schon eine Stunde lang bei voller Lautstärke gefahrlos Musik hören. Es hängt also beträchtlich vom Kopfhörertyp ab, welche Schallbelastung überhaupt erreichbar ist.

Einflussfaktor Umgebungslärm

Im nächsten Schritt prüften die HNO-Ärzte, welchen Einfluss der Umgebungslärm auf die Schallbelastung hat. 45 Freiwillige durften sich Musikstücke aus zehn verschiedenen Stilrichtungen anhören und wurden gebeten, das Gerät so laut zu stellen, dass sie die Musik als angenehm empfanden.

Bei stiller Umgebung drehten nur 17 Prozent über das als kritisch betrachtete Niveau von 85 dB auf. Vor einem Lärmhintergrund von 90 dB waren es jedoch schon 75 Prozent.

In dieser Situation wählten 40 Prozent sogar eine Lautstärke von über 95 dB - damit kann es schon nach einer Stunde zu Hörschäden kommen.

Unterschiede gab es hier wiederum bei den Kopfhörertypen. Mit Muschelkopfhörern, die den Umgebungslärm am besten abschirmten, wurde eine deutlich geringere Lautstärke gewählt als bei Earbuds mit der schlechtesten Abschirmung. Der Unterschied lag, praktisch unabhängig vom Umgebungslärm, bei etwa 15 dB.

Kleine Unterschiede gab es auch bei den Gerätetypen. Zwar ließen sich mit einem iPod die höchsten Schalldruckpegel erzielen, doch wählten die Testpersonen hier meist eine niedrigere Lautstärke als mit anderen Geräten.

Die Studienautoren begründen dies mit anderen MP3-Kompressionsalgorithmen, die offenbar für einen klareren und voluminöseren Klang sorgen und somit ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis ermöglichen.

Allerdings lag der Unterschied bei weniger als 10 dB. Einen größeren Einfluss hatte dagegen der Musikstil: Bei Hip-Hop war der Schalldruckpegel im Schnitt 17 dB höher als bei Klassik.

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