Gezielte Provokation als Therapie gegen Haarausfall
Zweithäufigste Form des Haarausfalls nach der androgenen Alopezie ist die kreisrunde Alopezie. Sie wird paradoxerweise auch durch Provokation von Ekzemen bekämpft, wie Professor Christiane Bayerl aus Wiesbaden im Vorfeld des Praxis Updates erläutert.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Frau Professor Bayerl, bei der klassischen androgenen Alopezie denkt man zunächst nur an Geheimratsecken oder eine Art Mönchstonsur beim Mann …?
Professor Christiane Bayerl: Bei Männern zeigt sie sich tatsächlich oft so. Grund ist hier ein Überschuss an Testosteron oder dessen Abbauprodukten, welche die besonders empfindlichen Haarwurzeln an Stirn und Scheitel angreifen.
Ärzte Zeitung: Können auch Frauen eine solche Störung haben?
Bayerl: Ja, diese Erkrankung - denn es ist eine Erkrankung - kann auch bei Frauen auftreten. Auch bei ihnen liegt dann eine Hormonverschiebung vor: Ein Mangel an Aromatase führt zu einem Östrogenmangel. Das äußert sich unter anderem in lichter werdendem Kopfhaar. Echte Glatzen sind dabei zum Glück aber selten.
Ärzte Zeitung: Was kann man gegen die androgene Alopezie tun?
Bayerl: So wie die konkrete Ursache ist auch die Therapie bei den Geschlechtern verschieden: Für Männer gibt es seit zehn Jahren Finasterid, das als Tablette eingenommen wird. Zweite Option bei Männern und Erstlinien-Therapie bei Frauen ist das topisch wirksame Minoxidil.
Ärzte Zeitung: Wie schnell tritt die Wirkung ein?
Bayerl: Nicht von heute auf morgen, aber meist nach einigen Monaten. Bei einem Drittel der Patienten nimmt die Haardichte sogar wieder zu, wie Studien kürzlich zeigten. Weil die Betroffenen die allmählichen Veränderungen aber oft nicht sehen, werden zum Nachweis Fotos gemacht und sogar Haare gezählt.
Ärzte Zeitung: Welche anderen Formen der Alopezie gibt es darüber hinaus?
Bayerl: Bei der kreisrunden Alopezie fällt das Haar an einer umschriebenen, kreisrunden Stelle oder an mehreren solcher Stellen aus. Die Ursache dafür kann Stress sein. Manchmal erfolgt die Heilung spontan. Wenn nicht, kann man mit Kortisonpräparaten, Bestrahlung oder Calcineurinhemmern behandeln, aber auch durch gezielte Provokation von Ekzemen.
Ärzte Zeitung: Ekzeme als Therapie?
Bayerl: Ja, die damit verbundene Entzündung regt die Haarwurzeln zu erneutem Wachstum an.
Ärzte Zeitung: Also sind Patienten wegen Haarausfalls behandelbar?
Bayerl: Nicht immer. Der Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle. Dies gilt besonders für die Narben bildende Alopezie. Diese ist erkennbar an perifollikulären Rötungen und an Juckreiz. Denn hier werden Haarwurzeln zerstört und der Haarausfall ist irreversibel. Diese Patienten sowie alle therapieresistenten Patienten sollte der Hausarzt rasch an den Dermatologen überweisen.
Das Interview führte Simone Reisdorf.
Praxis Update: 16 CME-Punkte
Das Praxis Update findet dieses Jahr in Berlin, Wiesbaden und Düsseldorf statt. Jeder Teilnehmer kann sich an zwei Tagen einen Überblick über die neuen Entwicklungen in der gesamten Allgemeinmedizin verschaffen, etwa in Kardiologie, Rheumatologie, Diabetologie, Geriatrie oder Dermatologie. Auf vielfachen Wunsch wird dieses Jahr die Pädiatrie mit Schwerpunkt Impfung aufgenommen. Neu ist auch Nephrologie. Das Praxis Update ist mit 16 CME-Punkten zertifiziert.
Die Termine:
- 24./25. April in Berlin
- 15./16. Mai in Wiesbaden
- 15./16. Mai in Düsseldorf