Vor Hormonersatztherapie gilt’s, Nutzen und Risiko abzuwägen

HAMBURG (awa). Jungbrunnen oder Damoklesschwert? Über Nutzen und Risiken einer Hormonersatztherapie (HRT) in der Postmenopause ist beim Gynäkologen-Kongreß in Hamburg heftig diskutiert worden. Das Ergebnis: Der Nutzen der HRT bei Wechseljahrsbeschwerden und Osteoporose ist eindeutig nachgewiesen, dieser Nutzen sollte jedoch individuell gegen die möglichen Risiken der Behandlung, etwa das erhöhte Brustkrebs-Risiko, abgewogen werden.

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Frauen müssen heutzutage sehr lange mit Östrogenmangel und dessen Folgen leben: Die Lebenserwartung hat sich bis auf 85 Jahre erhöht, die Menopause beginnt jedoch nach wie vor um das 50. Lebensjahr. Darauf hat Kongreßpräsident Professor Klaus Diedrich hingewiesen.

Eine gute Entscheidungshilfe für oder gegen eine HRT seien die Konsensusempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und des Berufsverbandes der Frauenärzte, meinte der Lübecker Gynäkologe. Therapiert werden sollte nur bei gegebener Indikation, also etwa bei Hitzewallungen, und nur so lange wie nötig. Außerdem sollten die verwendeten Hormone möglichst niedrig dosiert werden.

Der Nutzen der HRT bei klimakterischen Beschwerden sei sicher belegt, sagte Professor Olaf Ortmann aus Regensburg bei der von Schering unterstützten Veranstaltung. So hätten die WHI (Women’s Health Initiative)-Studie und die Million-Women-Studie die hohe Wirksamkeit der HRT bei Schweißausbrüchen, Hitzewallungen und Urogenitalatrophie bestätigt (wir berichteten). Hormone beugten zudem bei langfristiger Einnahme Osteoporose vor. Allerdings erhöhten sie aber das Risiko für Thrombosen, Herzinfarkt, Schlaganfall und Brustkrebs.

Die niedergelassene Gynäkologin Dr. Katrin Schaudig aus Hamburg warnte davor, die klimakterischen Beschwerden auf vasomotorische Symptome zu reduzieren. Auch psychische Veränderungen, Gelenk- und Knochenschmerzen sowie Nachlassen der Merkfähigkeit würden die Frauen belasten, und zwar nicht nur während der Wechseljahre, sondern auch darüber hinaus.

Die Patientinnen sollten hinreichend über den Nutzen, aber auch über die Risiken der HRT aufgeklärt und in den Entscheidungsprozeß für oder gegen eine solche Behandlung mit eingebunden werden. Hierbei seien die absoluten Zahlen aus den Studien hilfreich, nicht die relativen Risiken.

Beispiel Brustkrebs: Bei den Frauen der fünf Jahre dauernden WHI-Studie war die Brustkrebsrate mit HRT im Vergleich zu Placebo um 26 Prozent erhöht. Konkret heißt das: Mit HRT gibt es 38 und mit Placebo 30 invasive Mamma-Karzinome pro 10 000 Frauen pro Jahr.

Für Privatdozent Peyman Hadji aus Marburg muß bei einer Entscheidung für eine HRT auch berücksichtigt werden, daß Frauen, die vor der Teilnahme an der WHI-Studie noch keine Hormone eingenommen hatten, nach fünf Jahren Hormonbehandlung gar kein erhöhtes Risiko für Brustkrebs hatten. Und er wies darauf hin, daß in den bisherigen Studien nicht geklärt werden konnte, ob die Östrogene die Ursache der erhöhten Brustkrebsrate waren oder ob aufgrund der Untersuchungen in der Studie mehr Mamma-Karzinome entdeckt wurden.

Professor Martina Dören, Gynäkologin an der FU Berlin, plädierte dafür, daß ein Gesundheitskonzept für Frauen in der Lebensmitte geschaffen werden müsse, bei dem nicht die Hormontherapie, sondern der Lebensstil von zentraler Bedeutung ist.

Die aktualisierten Empfehlungen zur Hormonersatztherapie im Klimakterium und in der Postmenopause von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und des Berufsverbands der Frauenärzte sind im Internet abrufbar unter der Adresse: www.dggg.de

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