HINTERGRUND

Klimakterische Beschwerden - da gibt’s nicht immer echte Alternativen zum Hormonersatz

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Einmal mehr haben sich Frauenärzte gegen eine Verteufelung der Hormonersatztherapie bei klimakterischen Beschwerden gewandt. Die Risiken seien keinesfalls so ausgeprägt, wie es oft dargestellt worden sei, hieß es jetzt beim Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Berlin. Die Schlußanalyse der WHI (Women’s Health Initiative)-Studie, die vor vier Jahren für viel Aufregung gesorgt hatte, ergebe ein differenziertes Bild dieser Therapie.

Der "missionarische Eifer", mit dem man noch vor sechs, sieben Jahren Frauen "mit Hormonen beglückt" habe, sei zwar vorbei, sagte die Hamburger Gynäkologin Dr. Katrin Schaudig. Dennoch sei die Hormonersatztherapie (HRT) nach wie vor oft gerechtfertigt, zumal echte Alternativen bei dem oft hohen Leidensdruck von Frauen mit klimakterischen Beschwerden nicht immer vorhanden seien. Ob zum Beispiel Phytoöstrogene langfristig harmloser seien als synthetische Östrogene, dazu gebe es bisher keine Daten.

Wichtig ist das Lebensalter zu Beginn der Therapie

Bei nüchterner Betrachtung des Für und Wider einer HRT kommt es nach Angaben der Frauenärztin darauf an, in welchem Alter die Frauen mit Hormonen behandelt werden, ob die Frauen noch ihre Gebärmutter haben oder nicht und wie die Eigen- und Familienanamnese hinsichtlich kardiovaskulärer sowie onkologischer Risiken aussieht.

So hat sich herausgestellt, daß bei Frauen unter 60 Jahren auch in der WHI-Studie ein kardioprotektiver Effekt unter einer HRT zu verzeichnen war. Als ungünstig bezüglich des kardiovaskulären Risikos erwies sich, wenn die Menopause bei Therapiebeginn bereits 20 Jahre zurücklag, wenn die Frauen bereits älter als 70 Jahre und nicht gesund waren, das heißt etwa Adipositas, Bluthochdruck oder Diabetes mellitus hatten. Ist die Atherosklerose schon da, können Östrogene am Gefäßsystem offenbar nichts mehr richten.

    Das absolute Risiko für Brustkrebs ist recht gering.
   

Ein weiteres Ergebnis der WHI-Studie, was das kardiovaskuläre Risiko betrifft: Eine Östrogen-Monotherapie ist günstiger als eine Kombinationsbehandlung mit Östrogen und Gestagen. Bei Frauen mit reiner Östrogentherapie sei überhaupt kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko festgestellt worden, so Schaudig. Die Monotherapie eignet sich aufgrund des erhöhten Risikos für Endometrium-Karzinome jedoch nur für Frauen nach Hysterektomie. Allerdings: Drei Viertel der Frauen mit klimakterischen Beschwerden haben ihre Gebärmutter noch und müssen deshalb zum Schutz des Endometriums eine Östrogen-Gestagen-Kombination erhalten.

Heftig diskutiert wird auch das bei einer HRT erhöhte Brustkrebsrisiko. "Die Erhöhung des Brustkrebsrisikos stellt sich in Absolutzahlen deutlich geringer dar, als es den Patientinnen häufig erscheint", sagte Schaudig. Von 1000 Frauen bekommen bis zum 70. Lebensjahr 63 Brustkrebs. Wenn so viele Frauen fünf Jahre lang Hormone einnehmen, erkranken zwei Frauen mehr an Brustkrebs, nach zehn Jahren sind es sechs mehr. Unter einer Östrogen-Monotherapie ist das Brustkrebs-Risiko im Vergleich zu Placebo sogar geringer, wie die WHI-Studie ergeben hat.

"Angesichts der Datenlage sollte man so kurz und niedrig dosiert wie möglich behandeln", empfiehlt Schaudig. Nach einem halben bis einem Jahr solle ein Ausschleichversuch erfolgen, um zu sehen, wie die Patientin zurechtkommt. Bei weiter bestehenden Beschwerden sollte in möglichst niedriger Dosis weiter behandelt werden. "Es gibt Frauen, die auch nach fünf bis zehn Jahren nicht auf die HRT verzichten möchten", so Schaudigs Erfahrungen. Bei sorgfältiger Aufklärung der Patientin sei das im Einzelfall durchaus vertretbar.

Transdermale Behandlung mindert Thromboserisiko

Bei einer HRT ist bekanntlich auch das Risiko für thromboembolische Ereignisse erhöht. Um dieses Risiko zu minimieren, empfahl Schaudig eine transdermale Hormontherapie. Hiermit sei das Thromboserisiko wahrscheinlich gar nicht erhöht. Aber das sei bislang erst in einer Studie nachgewiesen worden.

Dominieren bei Frauen mit klimakterischen Beschwerden depressive Symptome oder sind Hormone kontraindiziert wie bei Brustkrebs, sind Antidepressiva nach Angaben der Kollegin eine mögliche Alternative. Eine Therapie mit einem Serotonin- oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wirkt ebenfalls gut bei Hitzewallungen.

Eine detaillierte Analyse zur Hormonersatztherapie bei Frauen im Klimakterium gibt es in der der Zeitschrift "Frauenarzt" (47, 2006, 420).



FAZIT

Für viele Frauen mit klimakterischen Beschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen ist eine Hormonersatztherapie aufgrund des hohen Leidensdruckes nach wie vor gerechtfertigt. 80 bis 90 Prozent der Patientinnen geht es unter einer solchen Behandlung deutlich besser als vorher. Gemeinsam mit der Patientin sollten Nutzen und Risiken der Therapie individuell abgewogen werden. Um die Gefahren, etwa das erhöhte Brustkrebsrisiko, zu minimieren, sollte möglichst kurz und niedrig dosiert behandelt werden.



STICHWORT

WHI-Studie

In der WHI (Women’s Health Initiative)-Studie sollten 8506 gesunde Frauen zwischen 50 und 79 Jahren 8,5 Jahre lang täglich 0,625 mg eines konjugierten Östrogens und 2,5 mg Medroxyprogesteronacetat einnehmen. 8102 Frauen bekamen Placebo. Primäre Endpunkte waren KHK- und Brustkrebs-Rate. Nach nur fünf Jahren wurde die Studie 2002 vorzeitig beendet - mit enttäuschenden Resultaten: Mit HRT gab es 37, mit Placebo 30 KHK-Ereignisse pro 10  000 Frauen pro Jahr. Und: Mit HRT gab es 38, mit Placebo 30 invasive Mamma-Karzinome pro 10 000 Frauen pro Jahr.

Die WHI-Studie ist eine Präventionsstudie. Ihre Daten werden daher differenziert beurteilt: So sei das erhöhte Brustkrebsrisiko bei starken klimakterischen Beschwerden eher zu vernachlässigen, sagen Gynäkologen.

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