Endokrinologen

Schon gering erhöhtes TSH beeinflußt das Gewicht

Helga Brettschneider

Veröffentlicht:
Kontrolle der Schilddrüsengröße und der Schilddrüsenmorphologie mittels Sonographie.

Kontrolle der Schilddrüsengröße und der Schilddrüsenmorphologie mittels Sonographie.

© zilli / Getty Images / iStock

BERLIN. Patienten, die eine Schilddrüsenhormon-Substitution bekommen, klagen oft über eine therapiebedingte Gewichtszunahme. Kann das sein, auch wenn die Werte der Schilddrüsenhormone normal sind? Ja, sagt Professor Karl-Michael Derwahl. Bereits leichte Änderungen der Schilddrüsenfunktion, erkennbar an den TSH-Werten, beeinflussen das Gewicht.

"Schilddrüsenhormone sind für etwa 30 Prozent des Ruheenergie-Umsatzes zuständig", so Derwahl bei einem Symposium von Merck Pharma in Berlin. Eine Fehlfunktion der Schilddrüse wirkt sich deshalb direkt aus: Sowohl die Wärmeproduktion als auch der Energieverbrauch ändern sich.

Bei einer Hypothyreose sind Wärmeproduktion und Grundumsatz reduziert. Je höher der TSH-Wert ist, um so niedriger fällt der Grundumsatz aus. Das gilt nicht nur bei manifester Hypothyreose, sondern auch schon bei kleinen TSH-Änderungen. Der Grundumsatz sinkt bereits, wenn die Unterfunktion nur latent ist. Latent bedeutet definitionsgemäß: Nur der TSH-Wert ist erhöht; die Werte der peripheren Hormone Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 sind aber im Normbereich.

Bei verringertem Energiebedarf kann der BMI zunehmen

Der veränderte Energiebedarf schlägt sich im Gewicht nieder, denn was nicht verbraucht wird, löst sich nunmal nicht in Luft auf. In einer dänische Populationsstudie wurde bei 4082 Schilddrüsen-gesunden Frauen der Zusammenhang zwischen TSH und Body-Mass-Index (BMI) geprüft. Die Frauen wurden fünf TSH-Bereichen zugeordnet: von unter 0,4 mU/l (Mittelwert 0,3 mU/l) bis über 3,6 mU/l. Der TSH-Normbereich liegt zwischen 0,3 bis 4,0 mU / l.

Das Ergebnis war eine gleichmäßig ansteigende, signifikante Zunahme des BMI mit dem TSH. Dabei kletterte der BMI von der unteren bis zur oberen TSH-Gruppe von etwa 24,5 kg/m² auf etwa 26,5 kg/m². Das repräsentiert den Schritt vom Normal- zum Übergewicht. Insgesamt wogen Frauen mit einem TSH über 3,6 mU/l im Mittel 5,5 Kilogramm mehr als die der niedrigsten TSH-Gruppe. Und: Frauen mit TSH-Spiegeln im oberen Normbereich nahmen innerhalb von fünf Jahren signifikant mehr zu als solche des unteren Normbereichs.

Empfohlen werden TSH-Werte im niedrigen Normbereich

Angesichts so dauerhafter Folgen kommt es also auch darauf an, wo der TSH-Wert innerhalb der Norm liegt. "Das müssen wir bei einer Schilddrüsenhormon-Substitution berücksichtigen", betont Derwahl.

Der TSH-Spiegel sollte deshalb bei Substitution mit Levothyroxin (etwa Euthyrox®) ausreichend gesenkt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie empfiehlt bei Schilddrüsenhormon-Therapie einen Zielbereich von 0,3 bis 1,2 mU/l. Wie weit der TSH-Spiegel gesenkt werden sollte, ist aber individuell verschieden. Denn was dem einen Menschen ein optimales Befinden beschert, kann für den anderen schon zuviel oder noch zu wenig sein.

Zur Gewichtszunahme kann es aber auch bei optimaler Dosierung kommen. Denn die Hormone fördern nicht nur den Energieumsatz, sondern auch den Appetit. Gerade zu Beginn der Substitution konkurrieren beide Effekte miteinander, und nicht selten nehmen die Patienten dann zwei bis vier Kilogramm zu. "Deshalb darf man den TSH-Wert aber nicht höher belassen", warnt der Endokrinologe. "Denn das würde nur in der Initialphase der Substitution die Zunahme begrenzen, aber nicht langfristig." Derwahl empfiehlt, bei initialer Gewichtszunahme die Patienten zunächst zur Überprüfung ihres Eßverhaltens aufzufordern und sie gegebenenfalls diätetisch zu beraten. (eb)

Latente Störungen

Latente Störungen der Schilddrüsenfunktion galten früher nur als Schönheitsfehler bei den Laborwerten. Latent bedeutet, daß die Werte der Schilddrüsenhormone T3 und T4 noch normal sind, die TSH-Werte aber außerhalb des Normbereichs von 0,3 bis 4,0 mU / l liegen. Geschätzt wird, daß knapp acht Prozent der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren eine latente Funktionsstörung haben. Spezialisten diskutieren, ob jeder Mensch mit einer latenten Funktionsstörung behandelt werden sollte.

Empfohlen wird eine Therapie etwa bei Herzrhythmusstörungen bei latenter Hyperthyreose oder Müdigkeit und trockener Haut bei latenter Unterfunktion. Davon profitieren vor allem Diabetiker: Denn schon bei latenter Funktionsstörung kann die Glukose-Kontrolle stark gestört sein.

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