HINTERGRUND

Religiöser Eifer und Puritanismus prägen Aids-Hilfe der USA für afrikanische und karibische Staaten

Von Rachel Rinaldo (IPS) Veröffentlicht:

Im Kampf gegen HIV/Aids darf sich Uganda in diesem Jahr auf 90 Millionen US-Dollar aus einem Sonderfonds von US-Präsident George W. Bush freuen. Die finanzielle Zuwendung ist in dem ostafrikanischen Land zwar herzlich willkommen, doch gibt es Kritik an der Art und Weise, wie das Geld verwendet werden soll.

Ein beachtlicher Teil der Summe soll in Programme fließen, die auf sexuelle Enthaltsamkeit und eheliche Treue setzen. Experten fürchten, daß vielversprechende alternative Bemühungen, der Epidemie beizukommen, auf der Strecke bleiben könnten. Stein des Anstoßes sind Vorgaben, lediglich Hauptrisikogruppen wie Prostituierte mit Kondomen zu versorgen. Gleichwohl umstritten ist der reduzierte Zugriff auf antiretrovirale Medikamente, die es bereits als kostengünstige Generika gibt. Nach Angaben der amerikanischen Entwicklungshilfebehörde (USAID) sollen bis zum Ende des Fünfjahresplans 60 000 Ugander mit antiretroviralen Präparaten behandelt werden.

Vorzeigestaat Uganda erhält besonders viel Unterstützung

Die US-Gelder sind Teil eines Notfallfinanzierungsplans des US-Präsidenten gegen Aids (PEPFAR), der über einen Zeitraum von fünf Jahren neun Milliarden Dollar für die Aidsbekämpfung und -prävention in 14 afrikanischen und karibischen Staaten ausschüttet. Washington zufolge konzentrieren sich auf diese Länder 70 Prozent der HIV-positiven Weltbevölkerung.

Obwohl Uganda in Afrika bei weitem die niedrigste HIV/Aids-Rate aufweist, wird es mit dem Löwenanteil aus dem PEPFAR-Topf bedacht. Im Kampf gegen die Immunschwäche zählt Uganda zu den Vorzeigestaaten. Nach offiziellen Angaben konnte die Infektionsrate von 20 Prozent Anfang der 90er Jahre auf sechs Prozent gedrückt werden. Da sich andere HIV-belastete Länder wie Malawi, Simbabwe und Swasiland nicht für PEPFAR qualifizieren konnten, liegt die Vermutung nahe, daß als Auswahlkriterien auch politische Erwägungen berücksichtigt wurden. Zum Beispiel sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Simbabwe unterkühlt.

Nach Angaben US-amerikanischer Beamter wurden ausschließlich Länder ausgewählt, in denen nationale Aidsprogramme existieren und ein Gesundheitsversorgungsnetz vorhanden ist, das sich durch den Zufluß frischer Gelder weiter ausbauen läßt.

      Helfer predigen vor allem Abstinenz und eheliche Treue.
   

Auch wenn die PEPFAR-Mittel nicht nur auf Programme beschränkt sind, die für sexuelle Enthaltsamkeit werben, so gehören auch im Umgang mit Jugendlichen Abstinenz und ein Wandel sexueller Verhaltensweisen zu den Prioritäten der US-finanzierten Präventionsarbeit.

Auf sexuelle Abstinenz auf einem Kontinent zu setzen, in dem Frauen von Männern stark finanziell abhängig sind, halten viele Aids-Organisationen für wenig erfolgversprechend. "Viele Frauen kennen ihre Rechte nicht. Und nur wenige können sich einem Mann sexuell verweigern", sagt Francis Mbaziira, Exekutivdirektor der Glaubensgruppe 'Kamwokya Christian Caring Community' (KCCC), die über die "Catholic Relief Services" mit Sitz in den USA finanziert wird. "Wenn Aids den männlichen Familienvorstand tötet, dann bleibt der Frau meist oft keine andere Wahl, als sich einem anderen Mann anzuschließen, um ihre Kinder ernähren zu können." KCCC versucht, Witwen mit Hilfe von Mikrokrediten finanziell unabhängig zu machen.

Religiöse Gruppen gewinnen immer mehr an Bedeutung

Als katholische Organisation verteilt KCCC keine Kondome. Mbaziira und seine Mitarbeiter predigen zwar sexuelle Abstinenz und eheliche Treue, wissen aber, daß sie damit zu Sisyphosarbeit verdammt sind.

Andere Nichtregierungsorganisationen wie 'Health GAP' halten das Ausklammern von Kondomen für sehr fragwürdig. "Bush versucht, immer mehr religiöse Gruppen in den Kampf gegen Aids einzubinden, die den Nutzen von Kondomen in Frage stellen, Abtreibungen verurteilen und Botschaften sexueller Abstinenz predigen", so der Sprecher der Hilfsgruppe, Brook Baker.

Auch wenn PEPFAR den Zusammenhang zwischen Gewalt gegen Frauen und HIV-Infektion und die Notwendigkeit, dagegen anzugehen, anerkennt, befaßt sich tatsächlich keine der ausgewählten Organisationen mit dem Problem.



FAZIT

90 Millionen Dollar erhält Uganda in diesem Jahr von der US-Regierung zur Bekämpfung von Aids. Dabei gilt Uganda im afrikanischen und karibischen Raum als Vorzeigestaat, weil hier die Infektionsrate seit Anfang der 90er Jahre bereits von 20 auf 14 Prozent gesenkt werden konnte. Kritiker vermuten eine stark ideologisch geprägte Vergabe der Hilfsgelder. Staaten, die weniger auf Linie der US-Regierung liegen, gehen leer aus.

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