Mittel gegen HIV unterstützen die Erholung des Immunsystems

Die medikamentösen Optionen für HIV-Infizierte haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Inzwischen sind bereits Präparate aus vier Wirkstoffklassen verfügbar. Jetzt geht es darum zu prüfen, wie sich die Mittel am besten kombinieren lassen und in welcher Phase der Infektionskrankheit die Therapie begonnen werden sollte.

Von Andrea Warpakowski Veröffentlicht:

Mehr als 20 antiretrovirale Einzelsubstanzen und Medikamentenkombinationen aus vier Wirkstoffklassen sind inzwischen zugelassen: nukleosidische und nukleotidische (NRTI) sowie nicht-nukleosidische Hemmer des HIV-Enzyms Reverse Transkriptase (NNRTI), Hemmer der HIV-Protease (PI) und Fusionshemmer (FI).

Auch wenn der Aids-Erreger damit nach wie vor nicht komplett aus dem Körper entfernt werden kann, so wird zumindest die Vermehrung des Virus weitestgehend unterdrückt. Das Immunsystem kann sich erholen - die ehemals tödlich verlaufende Erkrankung hat sich durch die Therapiemöglichkeiten in eine chronische Infektionskrankheit gewandelt.

Die hochaktive Therapie erfolgt mit mindestens drei Präparaten

Die Progression verhindern, Resistenzen vermeiden und unerwünschte Wirkungen minimieren - das sind die Ziele der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART): Sie setzt sich aus mindestens drei HIV-Medikamenten zusammen. Zu welchem Zeitpunkt der Infektion eine Therapie begonnen werden soll, wird aber nach wir vor diskutiert.

Daran hat Professor Bernd Salzberger aus Regensburg beim 15. Workshop der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ) in Köln hingewiesen. Manche Kollegen plädieren für eine frühe Therapie, andere eher für eine späte.

Wichtig für die Therapie ist ein gutes Resistenzprofil

So haben nach einem Modell, das auf älteren Kohortendaten basiert, Patienten, die erst dann behandelt werden, wenn sie nur noch 200 CD4-Zellen pro Mikroliter Blut haben, ein zwei- bis viermal höheres relatives Risiko einer Progression zu Aids oder Tod als Patienten, die früher, also schon bei 350 CD4-Zellen pro Mikroliter Blut eine Therapie erhalten.

Salzberger rechnete vor, daß bei einem Behandlungsbeginn bei mehr als 500 CD4-Zellen pro Mikroliter Blut etwa 63 Patienten drei Jahre lang behandelt werden müßten, um bei einem Patienten eine Progression zu Aids oder Tod zu vermeiden, und nur 8 bis 20 Patienten, wenn die Therapie bei einer Zellzahl zwischen 350 und 500 CD4-Zellen pro Mikroliter Blut beginnt.

Salzberger erinnerte daran, daß mit einem Cholesterinsenker 80 bis 120 Patienten mit behandelt werden müssen, um ein kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern. Erkauft werde allerdings ein früherer Start der HIV-Therapie mit mehr unerwünschten Wirkungen, die die Patienten oft erheblich belasten und eine Umstellung der Therapie erforderlich machen.

Privatdozent Dr. Jan van Lunzen aus Hamburg stellte Kriterien für einen Goldstandard der initialen HIV-Therapie auf: Nach 48 Wochen sollten mindestens 65 Prozent der Patienten weniger als 50 HIV-RNA-Kopien pro Milliliter Blut erreicht sowie jeweils weniger als 15 Prozent der Patienten virologisch versagt oder wegen unerwünschter Wirkungen die Therapie abgebrochen haben.

Die CD4-Zellen sollten in dieser Zeit um mindestens 50 Prozent gestiegen sein. Zusätzlich sollte die Therapie ein günstiges Resistenzprofil, eine möglichst akzeptable Langzeittoxizität haben und wenig pharmakokinetische Probleme bereiten.

Als initiale Therapie werden derzeit zwei NRTI als Basis der HIV-Therapie in Kombination mit einem NNRTI oder einem geboosterten - das heißt mit dem Protease-Hemmer Ritonavir (r) verstärkten - PI empfohlen. Dabei zeichne sich ab, daß die NRTI-Kombinationen Tenofovir/Emtricitabin und Lamivudin/Abacavir möglicherweise gute, wenn nicht sogar bessere Alternativen zum bisherigen Standard-Rückgrat der Therapie Lamivudin/Zidovudin sind, so van Lunzen.

Die beste Datenlage als dritte Kombi-Substanz hätten der NNRTI Efavirenz sowie die geboosterten PI Lopinavir/r und Saquinavir/r. Der direkte Vergleich stehe allerdings noch aus. Möglicherweise gleichwertig zu den Dreifachkombinationen aus zwei Wirkstoffgruppen scheine die Viererkombination aus den NRTI Abacavir/Lamivudin/Zidovudin plus Tenofovir zu sein, so van Lunzen.



STICHWORT

HIV-Medikamente

Zugelassen sind derzeit Medikamente aus vier Wirkstoffgruppen, die an unterschiedlichen Stellen der Virusvermehrung ansetzen:

  • Nukleosid- und Nukleotid-Analoga (NRTI) hemmen als falsche Bausteine das Enzym Reverse Transkriptase
  • Nicht-Nukleosid-Analoga (NNRTI) hemmen die Reverse Transkriptase, indem sie an das Enzym binden
  • Proteasehemmer (PI) hemmen das HIV-Enzym Protease und damit den Zusammenbau des Virus in der Zelle
  • Fusionshemmer (FI) verhindern die Fusion des Virus mit der Wirtszelle
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