Wie Parasiten Teile ihrer Opfer gezielt für sich nutzen

TITISEE (kat). Ob entwicklungsgeschichtlich alte Erreger wie Giardia lamblia oder relativ junge wie HIV-1 - sie alle funktionieren Teile des Wirtsorganismus für ihre Zwecke um. Wie vielfältig diese Strategien sind, berichteten Immunologen und Zellbiologen bei der 91. Internationalen Titisee-Konferenz des Boehringer Ingelheim Fonds.

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Extrazellulär lebende Parasiten versuchen vor allem der humoralen Immunabwehr, das heißt einer Komplement-induzierten Lyse zu entgehen. Dagegen müssen sich intrazellulär lebende Parasiten vor der lysosomalen Lyse und vor toxischen Metaboliten schützen. Ein Mechanismus, dessen sich viele Erreger bedienen, ist der Endosom-Phagosom-Apparat. Dieses Kompartiment in der Zelle wurde früher als Abfallbeseitigungsort der Zellen angesehen. Heute ist bekannt, daß es sich dabei um ein sehr dynamisches Zellorganell handelt, das viele wichtige Funktionen im Zellinnern erfüllt, zum Beispiel in der Immunantwort.

So nutzt der obligat intrazelluläre Parasit Toxoplasma gondii Teile des endoplasmatischen Retikulums, ein Membransystem, um sich ungestört im Wirt fortzupflanzen. Er dringt in phagozytierende und nicht-phagozytierende Zellen ein. Dies führt zur Bildung eines speziellen, den Parasiten enthaltenden, phagosomähnlichen Vakuole, die aber weder angesäuert werden kann, noch mit Vesikeln des endozytotischen Weges fusioniert: Damit ist eine Entsorgung des Parasiten nicht möglich. Während der akuten Infektionsphase vermehrt sich der Parasit in der Vakuole. Erst wenn Eiweißmoleküle aus der Parasiten-haltigen Vakuole entkommen und ins Zytosol gelangen, hat der Wirt eine Chance zur Immunantwort.

Dabei wird das Protein im Proteasom zerlegt, die Fragmente werden über das endoplasmatische Retikulum und den Golgi-Apparat in das Phagosom transportiert. Dieses wird durch das Zusammenführen mit MHC-Klasse- II-Komplexen - sie sitzen zum Beispiel auf CD4-Zellen - zu einem kompetenten Organell für die Antigenpräsentation. Nach Transport an die Zelloberfläche werden CD4- T-Zellen aktiviert, die dann IL-12 und IFN-gamma bilden. Dadurch werden Entwicklungsstadien, die Tachozoiten, intrazellulär abgetötet oder sie entwickeln sich zu Zysten-bildenden Brayzoiten. Die können in der chronischen Infektionsphase in Nerven- und Muskelzellen persisieren.

Eine andere Strategie hat das Protozoon Giardia lamblia entwickelt. Es lauert nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in den USA in Gewässern auf einen Wirt. Infektionen führen zu Diarrhoe, Bauchschmerzen, Blähungen, Gewichtsverlust und manchmal Fieber und Erbrechen.

Was aber hat der Erreger davon? Er nutzt den Wirt, um aus seiner Zyste zu schlüpfen, sich in ihm fortzupflanzen und sich auf einen Reiz hin wieder in eine Zyste zu verwandeln.

Entscheidend für die Interaktion sind in diesem Fall Bestandteile des Zytoskeletts von Giardia lamblia, die auf Stimuli des Wirtes - 37°C, pH-Veränderung, Proteasen, Nährstoffe - reagieren. Die Signale werden an das Zentrosom weitergeleitet, was die Reaktivierung von Motilität und Zytokinen koordiniert und die Proliferation erlaubt. Dazu heftet sich der Erreger an junge Endothelzellen des Dünndarms. Dem Immunsystem entgeht er durch kontinuierliche Antigenvariation.

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